darauf hinlenkten, das Reich der Werte mit dem Mass der
Schönheit zu messen und somit vorübergehend die Herrschaft
der ästhetischen Vernunft im Reiche des Geistes zu pro-
klamieren. Auch der Genius einer Zeit ist niemals ganz
unabhängig von ihren besonderen Lebens- und Anschauungs-
formell zu denken; was sie ihm darbietet, die ganze bunte
Mannigfaltigkeit ihres Inhalts, das empfängt er von ihr, das
nimmt er in sich auf, um schöpferisch und gestaltend auf
sie zurückzuwirken. Nach Form und Inhalt verrät Schellings
Geschichtsphilosophie in einer künstlerisch gestimmten Zeit
die schaffende Kraft des Künstlers. Wir wollen versuchen,
das Eigentümliche dieser Kulturepoche kurz zu charakterisieren
und zeigen, wie sich in ihr die Geschichtsphilosophie Schel-
lings in ihrer Eigenart entfaltet hat, wobei wir keineswegs
den reichen farbensatten Kulturhintergrund der Romantik
vollständig aufzurollen beabsichtigen, sondern nur auf einige
charakteristische Züge dieser Kulturbewegung, die zum Ver-
ständnis der Geschichtsphilosophie Schellings von Wichtigkeit
sind, hinweisen wollen.
In ihren ersten Anfängen beginnt die grosse Kultur-
bewegung der Romantik mit der literarischen Revolution,
die durch die Sturm- und Drangperiode eingeleitet wurde,
und ihre letzten Schwingungen sind bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts noch deutlich zu spüren. Sie erhebt das
Wertbewusstsein und das Irrationale über die spekulative
Vernunft und das Rationale. So tritt auch Kant in Gegen-
satz zur Aufklärung, wenn er aus dem Gebiet des Wert-
bewusstseins den sittlichen Willen als das Wertvollste heraus-
hebt. Er und der junge Fichte sind jedoch auf der anderen
Seite von Schelling und dem ihm nahestehenden Kreis der
Romantiker grundsätzlich geschieden durch die spezifisch
ethische Weltanschauung, die in Fichte ihren klassischen
Ausdruck gefunden, und durch den Geist der Kritik. Da-
gegen betonte der engere Kreis der Romantiker gegenüber
dem rein Verstandesmässigen der Aufklärung und der strengen
Moralität Kants das Aesthetisch-Religiöse und zwar vielfach
in einer innigen Durchdringung dieser beiden Wertgebiete.
Die Romantik ist von gleichem Widerwillen erfasst gegen
das nüchtern Verstandesmässige wie gegen den sittlichen
Rigorismus. Sie feiert die geniale Willkür gegenüber der
Prosa der Nützlichkeit und offenbart in ihrem Geniekultus
ihre enge Beziehung zur Sturm- und Drangperiode. Die
Unterordnung des Moralischen unter das Aesthetische findet
ihren klassischen Ausdruck in der Behauptung, dass die
Tugend des Menschen seine Originalität sei 9.
1) Athenäum, Bd. III, 104.
Schönheit zu messen und somit vorübergehend die Herrschaft
der ästhetischen Vernunft im Reiche des Geistes zu pro-
klamieren. Auch der Genius einer Zeit ist niemals ganz
unabhängig von ihren besonderen Lebens- und Anschauungs-
formell zu denken; was sie ihm darbietet, die ganze bunte
Mannigfaltigkeit ihres Inhalts, das empfängt er von ihr, das
nimmt er in sich auf, um schöpferisch und gestaltend auf
sie zurückzuwirken. Nach Form und Inhalt verrät Schellings
Geschichtsphilosophie in einer künstlerisch gestimmten Zeit
die schaffende Kraft des Künstlers. Wir wollen versuchen,
das Eigentümliche dieser Kulturepoche kurz zu charakterisieren
und zeigen, wie sich in ihr die Geschichtsphilosophie Schel-
lings in ihrer Eigenart entfaltet hat, wobei wir keineswegs
den reichen farbensatten Kulturhintergrund der Romantik
vollständig aufzurollen beabsichtigen, sondern nur auf einige
charakteristische Züge dieser Kulturbewegung, die zum Ver-
ständnis der Geschichtsphilosophie Schellings von Wichtigkeit
sind, hinweisen wollen.
In ihren ersten Anfängen beginnt die grosse Kultur-
bewegung der Romantik mit der literarischen Revolution,
die durch die Sturm- und Drangperiode eingeleitet wurde,
und ihre letzten Schwingungen sind bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts noch deutlich zu spüren. Sie erhebt das
Wertbewusstsein und das Irrationale über die spekulative
Vernunft und das Rationale. So tritt auch Kant in Gegen-
satz zur Aufklärung, wenn er aus dem Gebiet des Wert-
bewusstseins den sittlichen Willen als das Wertvollste heraus-
hebt. Er und der junge Fichte sind jedoch auf der anderen
Seite von Schelling und dem ihm nahestehenden Kreis der
Romantiker grundsätzlich geschieden durch die spezifisch
ethische Weltanschauung, die in Fichte ihren klassischen
Ausdruck gefunden, und durch den Geist der Kritik. Da-
gegen betonte der engere Kreis der Romantiker gegenüber
dem rein Verstandesmässigen der Aufklärung und der strengen
Moralität Kants das Aesthetisch-Religiöse und zwar vielfach
in einer innigen Durchdringung dieser beiden Wertgebiete.
Die Romantik ist von gleichem Widerwillen erfasst gegen
das nüchtern Verstandesmässige wie gegen den sittlichen
Rigorismus. Sie feiert die geniale Willkür gegenüber der
Prosa der Nützlichkeit und offenbart in ihrem Geniekultus
ihre enge Beziehung zur Sturm- und Drangperiode. Die
Unterordnung des Moralischen unter das Aesthetische findet
ihren klassischen Ausdruck in der Behauptung, dass die
Tugend des Menschen seine Originalität sei 9.
1) Athenäum, Bd. III, 104.