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aller Zeitlichkeit, das reale All der Natur und das ideale
des Geistes in der Idee des Universums als göttliches Kunst-
werk verbindet, das unter der Kategorie des Seins betrachtet,
in der monumentalen Ruhe des plastischen Kunstwerks er-
scheint, während es sich unter dem dynamischen Gesichts-
punkt als das ewige Weltgedicht Gottes darstellt.
Aus der Erhebung der ästhetischen Vernunft über die
praktische und theoretische gewinnt Schelling einen Wert-
masstab zur Beurteilung des historischen Prozesses. Das
Universum der Natur und das Universum der moralischen
Welt ergeben in ihrer Vereinigung das Universum der Kunst,
welches den wahren Charakter des Alls ausmacht. Dieselbe
Entgegensetzung der beiden Prinzipien und ihre Vereinigung
zur Identität wiederholt sich in der Geschichte: die Antike
bedeutet geschlossene Einheit gleich der Natur, die moderne
Welt Kampf und Gegensatz gleich der Geschichte.
Trotz dieses Mangels muss die moderne Welt der Antike
gegenüber als Fortschritt gelten, denn dieser Dualismus auf
allen Gebieten ist notwendig, um die letzte Aufgabe der
neuen Welt zu vollenden, die darin besteht, zu einer harmoni-
schen Einheit überzuleiten. Die Gegensätze müssen hervor-
treten, damit eine höhere Einigung stattfinden kann1). Das
dialektische Moment der Schellingschen Geschichtsphilosophie
trägt den Fortschrittsgedanken in das historische Geschehen.
Das Auseinanderklaffen der Gegensätze ist mit Rücksicht
auf die höhere Vereinigung, welche das Ziel des historischen
Geschehens bildet, als Fortschritt zu bezeichnen. Damit ist
jedoch nicht behauptet, dass die Epoche des Dualismus einen
höheren Wertertrag erzielen müsse, wie die der geschlossenen
Einheit. Ist doch Schelling selber davon überzeugt, dass die
Leistung des Griechentums für die Kunst höher einzuschätzen
ist als die bisherige Leistung der christlich-romantischen
Kunst, der die Idee des Epos so notwendig fehlt, wie die
Identität der Bildung und die Identität des Zustandes, von
dem sie ausgegangen ist — und in dem Epos wird sich
die Leistung der modernen Kunst vollenden2). Diese Voll-
endung der modernen Kunst scheint jedoch kein Plus über
die Leistung der Antike hinaus bedeuten zu sollen. Das
Prinzip der Dialektik, für das die Kunst als Exempel dient,
versagt auf dem Gebiete der Kunst selbst. Nach Schellings
ganzer Darstellung findet auf diesem Gebiet kein Fortschritt
statt. Der griechische Staat, der moderne Staat und der
Kunststaat können in ihrem Verhältnis zu einander als Fort-
schritt im Sinne einer Wertsteigerung betrachtet werden,
und ebenso bilden die grichische Religion, die christliche
1) a. a. 0. S. 275.
2) a. a. 0. S. 685 und 441 und 42.
aller Zeitlichkeit, das reale All der Natur und das ideale
des Geistes in der Idee des Universums als göttliches Kunst-
werk verbindet, das unter der Kategorie des Seins betrachtet,
in der monumentalen Ruhe des plastischen Kunstwerks er-
scheint, während es sich unter dem dynamischen Gesichts-
punkt als das ewige Weltgedicht Gottes darstellt.
Aus der Erhebung der ästhetischen Vernunft über die
praktische und theoretische gewinnt Schelling einen Wert-
masstab zur Beurteilung des historischen Prozesses. Das
Universum der Natur und das Universum der moralischen
Welt ergeben in ihrer Vereinigung das Universum der Kunst,
welches den wahren Charakter des Alls ausmacht. Dieselbe
Entgegensetzung der beiden Prinzipien und ihre Vereinigung
zur Identität wiederholt sich in der Geschichte: die Antike
bedeutet geschlossene Einheit gleich der Natur, die moderne
Welt Kampf und Gegensatz gleich der Geschichte.
Trotz dieses Mangels muss die moderne Welt der Antike
gegenüber als Fortschritt gelten, denn dieser Dualismus auf
allen Gebieten ist notwendig, um die letzte Aufgabe der
neuen Welt zu vollenden, die darin besteht, zu einer harmoni-
schen Einheit überzuleiten. Die Gegensätze müssen hervor-
treten, damit eine höhere Einigung stattfinden kann1). Das
dialektische Moment der Schellingschen Geschichtsphilosophie
trägt den Fortschrittsgedanken in das historische Geschehen.
Das Auseinanderklaffen der Gegensätze ist mit Rücksicht
auf die höhere Vereinigung, welche das Ziel des historischen
Geschehens bildet, als Fortschritt zu bezeichnen. Damit ist
jedoch nicht behauptet, dass die Epoche des Dualismus einen
höheren Wertertrag erzielen müsse, wie die der geschlossenen
Einheit. Ist doch Schelling selber davon überzeugt, dass die
Leistung des Griechentums für die Kunst höher einzuschätzen
ist als die bisherige Leistung der christlich-romantischen
Kunst, der die Idee des Epos so notwendig fehlt, wie die
Identität der Bildung und die Identität des Zustandes, von
dem sie ausgegangen ist — und in dem Epos wird sich
die Leistung der modernen Kunst vollenden2). Diese Voll-
endung der modernen Kunst scheint jedoch kein Plus über
die Leistung der Antike hinaus bedeuten zu sollen. Das
Prinzip der Dialektik, für das die Kunst als Exempel dient,
versagt auf dem Gebiete der Kunst selbst. Nach Schellings
ganzer Darstellung findet auf diesem Gebiet kein Fortschritt
statt. Der griechische Staat, der moderne Staat und der
Kunststaat können in ihrem Verhältnis zu einander als Fort-
schritt im Sinne einer Wertsteigerung betrachtet werden,
und ebenso bilden die grichische Religion, die christliche
1) a. a. 0. S. 275.
2) a. a. 0. S. 685 und 441 und 42.