— 129 —
einander kontrastieren, bilden in der Zeitlosigkeit die ur-
sprüngliche Einheit des absolut Unendlichen, des Urschönen.
Schellings Lehre vom Verhältnis des Unendlichen zum
Endlichen, wie sie in der „Methode des akademischen Stu-
diums" vorgetragen wird, deckt sich im wesentlichen mit den
in der Philosophie der Kunst vertretenen Anschauungen,
nur dass in dem erstgenannten Werke, so weit es sich um
die historische Konstruktion der Theologie handelt, das Ver-
hältnis zwischen dem Unendlichen und Endlichen die spezifisch
religiöse Färbung erhält und der ästhetische Grundgedanke
mehr zurücktritt. Die Unterscheidung des Unendlichen als
des absolut Idealen und des Endlichen als des absolut Realen
wird noch durch die Merkmale des Wesens und der Form,
der Möglichkeit und Wirklichkeit bereichert, die mit den
beiden genannten Intellektualprinzipien identifiziert1) werden.
„Philosophie und Religion" ist diejenige von Schellings
Schriften, in welcher der Primat der ästhetischen Vernunft
an die religiöse übergeht. Das zeigt sich schon rein äusser-
lich in der Lehre vom Abfall als einem Abbrechen2), in der
von Herder übernommenen Hypothese einer Erziehung des
Menschengeschlechts durch höhere Naturen3), in der von
Lessing überkommenen Vorstellung von der Verdoppelung
des Absoluten durch Selbstanschauung4) in der Heraus-
arbeitung dreier ideeller Bestimmungen des Absoluten, des
schlechthin Idealen, des schlechthin Realen und der Absolutheit
und Form5), welche ihre Verwandtschaft mit der Trinitäts-
lehre deutlich erkennen lassen, in der Lehre von der Wieder-
auflösung in die Absolutheit, besonders aber in der Behandlung
des Unsterblichkeitsproblems6)- Allerdings sind fast alle
diese Lehren und Anschauungen schon in den früheren
Schriften Schellings vertreten worden, aber erst hier erhalten
sie die theosophische Wendung und erst hier schliessen sie
sich zu einer Gemeinsamkeit zusammen. Die Sehnsucht nach
dem Göttlichen als der Einheit von Sittlichkeit und Seligkeit
findet ihren deutlichen Ausdruck7), eine Hinneigung zum
1) a. a. 0. S. 249. Die Zusammenstellung von Möglichkeit und Frei-
heit (Unendlichkeit) sowie von Wirklichkeit und unbedingter Kausalität
(Notwendigkeit, Endlichkeit) findet sich auch in Kants Kritik der Urteils-
kraft § 76. Anm. Hier auch die Auflösung des Gegensatzes von An-
schauen und Denken in der Idee des Absoluten, die Schelling in seinem
Brief vom 3. Oktober 1801 an Fichte als Argument heranzieht. § 76 der
Urteilskraft ist für die Weiterbildung der Lehre Kants sehr bedeutsam.
Schelling zitiert wohl irrtümlich § 74 Anm. vgl. Fichte in Schellings
philosophischem Briefwechsel. S. 94.
2) Schelling, Werke I, Bd. VI, S. 38.
3) a. a. 0. S. 58.
4) a. a. 0. S. 31.
5) a. a. 0. S. 31 ff.
6) a. a. 0. S. 60 ff.
7) a. a. 0. S. 56. (
einander kontrastieren, bilden in der Zeitlosigkeit die ur-
sprüngliche Einheit des absolut Unendlichen, des Urschönen.
Schellings Lehre vom Verhältnis des Unendlichen zum
Endlichen, wie sie in der „Methode des akademischen Stu-
diums" vorgetragen wird, deckt sich im wesentlichen mit den
in der Philosophie der Kunst vertretenen Anschauungen,
nur dass in dem erstgenannten Werke, so weit es sich um
die historische Konstruktion der Theologie handelt, das Ver-
hältnis zwischen dem Unendlichen und Endlichen die spezifisch
religiöse Färbung erhält und der ästhetische Grundgedanke
mehr zurücktritt. Die Unterscheidung des Unendlichen als
des absolut Idealen und des Endlichen als des absolut Realen
wird noch durch die Merkmale des Wesens und der Form,
der Möglichkeit und Wirklichkeit bereichert, die mit den
beiden genannten Intellektualprinzipien identifiziert1) werden.
„Philosophie und Religion" ist diejenige von Schellings
Schriften, in welcher der Primat der ästhetischen Vernunft
an die religiöse übergeht. Das zeigt sich schon rein äusser-
lich in der Lehre vom Abfall als einem Abbrechen2), in der
von Herder übernommenen Hypothese einer Erziehung des
Menschengeschlechts durch höhere Naturen3), in der von
Lessing überkommenen Vorstellung von der Verdoppelung
des Absoluten durch Selbstanschauung4) in der Heraus-
arbeitung dreier ideeller Bestimmungen des Absoluten, des
schlechthin Idealen, des schlechthin Realen und der Absolutheit
und Form5), welche ihre Verwandtschaft mit der Trinitäts-
lehre deutlich erkennen lassen, in der Lehre von der Wieder-
auflösung in die Absolutheit, besonders aber in der Behandlung
des Unsterblichkeitsproblems6)- Allerdings sind fast alle
diese Lehren und Anschauungen schon in den früheren
Schriften Schellings vertreten worden, aber erst hier erhalten
sie die theosophische Wendung und erst hier schliessen sie
sich zu einer Gemeinsamkeit zusammen. Die Sehnsucht nach
dem Göttlichen als der Einheit von Sittlichkeit und Seligkeit
findet ihren deutlichen Ausdruck7), eine Hinneigung zum
1) a. a. 0. S. 249. Die Zusammenstellung von Möglichkeit und Frei-
heit (Unendlichkeit) sowie von Wirklichkeit und unbedingter Kausalität
(Notwendigkeit, Endlichkeit) findet sich auch in Kants Kritik der Urteils-
kraft § 76. Anm. Hier auch die Auflösung des Gegensatzes von An-
schauen und Denken in der Idee des Absoluten, die Schelling in seinem
Brief vom 3. Oktober 1801 an Fichte als Argument heranzieht. § 76 der
Urteilskraft ist für die Weiterbildung der Lehre Kants sehr bedeutsam.
Schelling zitiert wohl irrtümlich § 74 Anm. vgl. Fichte in Schellings
philosophischem Briefwechsel. S. 94.
2) Schelling, Werke I, Bd. VI, S. 38.
3) a. a. 0. S. 58.
4) a. a. 0. S. 31.
5) a. a. 0. S. 31 ff.
6) a. a. 0. S. 60 ff.
7) a. a. 0. S. 56. (