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letzten historischen Ganzen, das alles wertvolle Geschehen
in sich schliesst, tritt zurück infolge der vorgenommenen
Aufteilung in gesonderte Wertreihen. Er erkennt den un-
vereinbaren Gegensatz zwischen Universalgeschichte und
pragmatischer Geschichte, wenn er behauptet, dass an die
Geschichte kein Zweck von aussen herangetragen werden
darf, der nicht in ihrem eigenen Wesen begründet ist. Die
Geschichte als Universalgeschichte darf nicht unter den
didaktischen oder pädagogischen Gesichtspunkt gestellt wer-
den. Es handelt sich in ihr um die Verwirklichung zeitlos
gütiger Werte, die ihren alleinigen Zweck bilden und den
Gang des Geschehens determinieren. Aber wir vermissen
bei Schelling eine einheitliche Darstellung und Beurteilung
der Totalität des historischen Universums. Für die speziell
geschichtsphilosophische Darstellung wird der Wert des
Rechts einseitig zu gründe gelegt, während in der philo-
sophischen Religions- und Kunstgeschichte diejenigen histo-
rischen Individuen behandelt werden, die mit Rücksicht auf
den ästhetischen und religiösen Wert wesentlich sind. Die
Verschiedenheit der Betrachtungsweisen lässt es zu keiner
einheitlichen philosophischen Verarbeitung des wertvollen
Gesamtmaterials kommen. Was Schelling geleistet hat, ist
nur Vorarbeit zu einer solchen. Zur Darstellung gebracht
hat er diejenigen Wertreihen, in denen nach seiner Meinung
ein fortschreitender Prozess der Wertverwirklichung er-
kennbar ist.
Das historische Universum ist für Schelling von vorn-
herein gleichbedeutend mit der ethisch-religiösen Wert-
verwirklichung. Kants Nachfolger galt die enge Beziehung
zwischen der praktischen Vernunft und der Geschichte als
eine Tatsache: die Geschichte ist die moralische Welt, das
Reich sittlicher Willensbetätigung. Neben dem ethischen
und rechtlichen wird jedoch in weit höherem Masse wie bei
Kant der religiöse Gehalt der Geschichte als wertvoll betont.
Die rechtliche und religiöse Wertverwirklichung unterliegt
einer verschiedenen philosophischen Betrachtungsweise. Für
die Rechtsverwirklichung, die das Fortschreiten der Ent-
wickelung unmittelbar erkennen lässt, wird im System des
transzendentalen Idealismus noch die Fortschrittsbeurteiluug
mit Rücksicht auf die Idee des vollkommenen Staates in
Anspruch genommen. Dagegen wird auf die religiöse Ent-
wickelung der Fortschrittsbegriff nicht angewandt, wenn
auch die Idee der drei göttlichen Offenbarungen, wie sie
Schelling mit einer dialektischen Zuspitzung von Lessing
übernommen hat, ganz augenscheinlich die Merkmale des
Fortschritts an sich trägt. Schelling vermeidet schon im
System des transzendentalen Idealismus für die religiöse
 
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