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taphysiker — und damit kehren wir zu Schelling zurück —
vor allem das Problem der Individuation, das Hervorgehen
der Vielheit des Endlichen aus der Einheit des Unendlichen,
und er ist geneigt, nur die Einheit als wahrhaft wirklich,
die Vielheit aber als blossen Schein zu betrachten. Der letzte
Wertmasstab wird zum absoluten Sein, das System der Werte
zur Ideenwelt hypostasiert und die Geltung der Werte durch
ihre Genesis aus dem Absoluten demonstriert. In diesem
Punkte berührt sich die Methode der alten Metaphysik und
der empirischen Wissenschaft, beide fragen nach der Genesis,
nicht nach dem Rechtsgrunde wie die Erkenntnistheorie.
Für diese bleibt das Verhältnis des Endlichen zum Unend-
lichen das grosse Welträtsel, welches zu durchdringen spe-
kulative Einsicht niemals imstande ist. Die Metaphysik
sucht die im Bewusstsein vorgefundene Antinomie von Wert
und Wirklichkeit aufzulösen und zu erklären, die Erkenntnis-
theorie lässt ihn als letzte Voraussetzung bestehen und nie-
mals kann für sie das Wertreich selber ein Gegenstand des
Wissens und der Erkenntnis sein.
Die spezifisch metaphysische Fassung, das Problem der
Individuation, ist es nun nicht, welches uns an dieser Stelle
interessiert, sondern wir wollen zeigen, wie weit das Ver-
hältnis des Unendlichen zum Endlichen, wie es von Schelling
dargestellt wird, die charakteristischen Merkmale einer uni-
versalhistorischen Betrachtung aufweist und alle jene letzten
Voraussetzungen enthält, die eine verständnisvolle Behandlung
des Problems erforderlich macht. Wir wollen die Frage
zu beantworten suchen: „Wie verhält sich nach Schelling
der zeitliche Abfluss der empirischen Wirklichkeit zu dem
zeitlos Geltenden, dem Reich der Werte". Erst eine Er-
örterung des Verhältnisses von Wert und Wirklichkeit kann
den universalhistorischen Gedanken vollkommen klarlegen
und die Frage nach dem Fortschritt der menschlichen Gattung
endgiltig entscheiden. Allerdings muss bei einer solchen
Herauslösung des universalhistorischen Problems aus all seinen
Verschlingungen mit Schellings Metaphysik die Grosszügigkeit
und Schönheit des Ganzen und der eigentümliche Charakter
seiner Geschichtsphilosophie notwendig getrübt werden, der
auf dem wunderbaren Durchdrungensein des ästhetischen und
religiösen Wertens mit der philosophischen Spekulation beruht
und dem eine rein historische Darstellung der Geschichts-
philosophie Schellings in erster Linie Rechnung zu tragen hätte.
Bevor wir das Verhältnis des Endlichen zum Unendlichen
einer Prüfung unterziehen, ist es notwendig, diese beiden Be-
griffe, welche von Schelling innerhalb der von uns behandelten
Periode mit wechselnder Bedeutung gebraucht werden, etwas
näher zu fixieren. Betrachten wie zunächst den Begriff des
 
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