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Spiele bleiben, da sie Schellings geschichtsphilosophische
Gedankengänge niemals berührt haben. Es kann sich bei
Schelling, als dem ausgesprochenen Metaphysiker, niemals
um erkenntnistheoretische Begründung der historischen Wis-
senschaften handeln, wohl aber besitzt er Sinn und Verständnis
für das Wesen des historischen Prozesses, für die Struktur
der Werte, sowie für das Problem der Universalgeschichte.
Auch Schellings Geschichtsphilosophie hat zur Erkennt-
nis der eigentümlichen Struktur der empirischen Geschichts-
wissenschaft, die das philosophische Denken unserer Zeit so
sehr beschäftigt, einige wertvolle Richtpunkte gegeben, und
mehr kann man von ihr bei der Jugendlichkeit der damaligen
historischen Wissenschaft nicht erwarten, denn es ist not-
wendig, dass eine Wissenschaft erst eine gewisse Höhe der
Ausbildung erreicht hat, bevor ihre eigentümliche Natur sich
dem Blicke des Philosophen in vollkommener Deutlichkeit
enthüllt. Schellings Bedeutsamkeit für die Geschichtsphilo-
sophie liegt darin, dass er, wie kein anderer von ihrem
Erkenntniswert durchdrungen, sein Bestreben darauf richtete,
die als „blos empirisch" geringgeschätzte historische Wissen-
schaft zu einer positiven, objektiven Wissenschaft, zu voller
Gleichstellung mit den exakten Wissenschaften zu erheben.
Wir wollen nunmehr versuchen, an der Hand Schelling-
scher Gedankengänge den Begriff der Geschichte festzulegen,
der nach den verschiedensten Seiten schillert, so dass es
nicht ganz leicht ist, eine Bestimmung zu finden, die etwa
das Reich der Geschichte von dem Reich der Natur eindeutig
abzugrenzen vermöchte, wie man etwa früher zwischen Geist
und Natur und dementsprechend zwischen Geistes- und Natur-
wissenschaften zu unterscheiden pflegte und neuerdings zwi-
schen Kultur und Natur und dementsprechend zwischen
Naturwissenschaften und Kulturwissenschaften unter Berück-
sichtigung ihrer besonderen Aufgabe und Methode unter-
scheidet. Die Definition und die kritische Sonderung ist die
schwächste Seite der Romantik. Der Aehnlichkeit zweier
Begriffsschattierungen zu Liebe wird ein Terminus oft in
höchst willkürlicher Weise erweitert. Wir gewinnen den
Eindruck, als ob es häufig nicht die Uebereinstimmung wesent-
licher und charakteristischer Merkmale zweier Begriffe sei,
die den Romantiker dazu veranlasst, ihre Aehnlichkeit zu
konstatieren und diese in eine Einheit zu setzen. Er lässt
vielmehr manchmal die in den Worten niedergelegten Ge-
dankengebilde und Gefühlstöne vibrieren und findet Analogien
auf Grund von Assoziationen, die den Merkmalen, welche
das Wesen des Begriffes konstituieren, häufig fern liegen.
Mit ausserordentlicher Feinheit wird eine entfernte Analogie
herausgefühlt und gefunden und um eines oft schwer erkenn-
 
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