Einflusses. Keiner der Impressionisten zeigte den Einfluß deut-
licher als Renoir zu Beginn seiner Laufbahn. Zwei Verwandte
scheinen sich zu begegnen, und manches bleibt ihnen auch später
gemein. Etwas von dem animalischen Instinkt Courbets scheint
dem Jüngeren gegeben. Und er hat dieselbe reiche Produktivität,
für die keine Fläche zu groß ist, dieselbe Rapidität des Schaffens.
Manet, Cezanne und Degas dürften zusammen kaum so viel gemalt
haben, als Renoir allein. Er schätzt die Zahl seiner Bilder auf
Tausende. Es ist die Fruchtbarkeit, mit der wir uns gern den
Enthusiasmus des Genies gepaart denken. Aber damit erschöpft
sich eigentlich die Beziehung zu dem Meister von Omans. Renoirs
reifsten und reichsten Gemälden fehlt die Bravour des Vorgängers.
Es fragt sich, ob wir ihm unbedingt die „finesse dans le doigt“
zusprechen können, für die es keine Schwierigkeit gibt, jene
Maestria Courbets, die mit allen Geheimnissen der alten Meister
jonglierte. Er hat eins voraus. Es ist keine Gabe des Malers,
sondern steckt hinter dem Organ, jenseits der Fingerspitzen,
jenseits des Auges. Es nötigt uns ebensosehr, den Menschen
über den Menschen, wie den Künstler über den Künstler zu stellen,
und trägt dazu bei, das Verhältnis Renoirs zu den großen Künst-
lern seiner eigenen Zeit zu bestimmen. Er ist der natürlichste
unter ihnen. Natürlicher als Courbet trotz oder gerade infolge
des Courbetschen Dogmas vom Naturalismus, natürlicher als Manet,
Cezanne und Degas, so seltene Aufschlüsse wir ihnen über die
Natur, die ein Künstler zu suchen hat, verdanken. Weil in ihm
die Spannung des Menschen vor der Natur weniger scharf hervor-
tritt, weil er der Naivste unter ihnen ist, weil aus seinen Werken
neben aller Pracht, neben einer auf die Spitze getriebenen Ver-
feinerung der Gabe, neben der größten Kühnheit und kühlsten
Weisheit des Meisters ein Kinderlächeln bricht, ein primitiver, un-
widerstehlicher Naturlaut. Die anderen stehen alle unter dem
Zeichen unserer Zeit, des Kampfes. Sie ringen mit der Natur,
reißen sie an sich, das Dämonische krümmt ihre Gesten. Dieser
eine scheint mit ihr geboren, gleich einem Griechen, einem Poussin,
einem Mozart. Er malt, wie der Vogel singt, wie die Sonne scheint,
wie Blumen blühen. Nie hat man so kunstlos geformt. So
greift der Säugling nach der Mutter Brust. Ein Instinkt wird
Schöpfung.
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licher als Renoir zu Beginn seiner Laufbahn. Zwei Verwandte
scheinen sich zu begegnen, und manches bleibt ihnen auch später
gemein. Etwas von dem animalischen Instinkt Courbets scheint
dem Jüngeren gegeben. Und er hat dieselbe reiche Produktivität,
für die keine Fläche zu groß ist, dieselbe Rapidität des Schaffens.
Manet, Cezanne und Degas dürften zusammen kaum so viel gemalt
haben, als Renoir allein. Er schätzt die Zahl seiner Bilder auf
Tausende. Es ist die Fruchtbarkeit, mit der wir uns gern den
Enthusiasmus des Genies gepaart denken. Aber damit erschöpft
sich eigentlich die Beziehung zu dem Meister von Omans. Renoirs
reifsten und reichsten Gemälden fehlt die Bravour des Vorgängers.
Es fragt sich, ob wir ihm unbedingt die „finesse dans le doigt“
zusprechen können, für die es keine Schwierigkeit gibt, jene
Maestria Courbets, die mit allen Geheimnissen der alten Meister
jonglierte. Er hat eins voraus. Es ist keine Gabe des Malers,
sondern steckt hinter dem Organ, jenseits der Fingerspitzen,
jenseits des Auges. Es nötigt uns ebensosehr, den Menschen
über den Menschen, wie den Künstler über den Künstler zu stellen,
und trägt dazu bei, das Verhältnis Renoirs zu den großen Künst-
lern seiner eigenen Zeit zu bestimmen. Er ist der natürlichste
unter ihnen. Natürlicher als Courbet trotz oder gerade infolge
des Courbetschen Dogmas vom Naturalismus, natürlicher als Manet,
Cezanne und Degas, so seltene Aufschlüsse wir ihnen über die
Natur, die ein Künstler zu suchen hat, verdanken. Weil in ihm
die Spannung des Menschen vor der Natur weniger scharf hervor-
tritt, weil er der Naivste unter ihnen ist, weil aus seinen Werken
neben aller Pracht, neben einer auf die Spitze getriebenen Ver-
feinerung der Gabe, neben der größten Kühnheit und kühlsten
Weisheit des Meisters ein Kinderlächeln bricht, ein primitiver, un-
widerstehlicher Naturlaut. Die anderen stehen alle unter dem
Zeichen unserer Zeit, des Kampfes. Sie ringen mit der Natur,
reißen sie an sich, das Dämonische krümmt ihre Gesten. Dieser
eine scheint mit ihr geboren, gleich einem Griechen, einem Poussin,
einem Mozart. Er malt, wie der Vogel singt, wie die Sonne scheint,
wie Blumen blühen. Nie hat man so kunstlos geformt. So
greift der Säugling nach der Mutter Brust. Ein Instinkt wird
Schöpfung.
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