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Meier-Graefe, Julius [Hrsg.]; Renoir, Auguste [Ill.]
Auguste Renoir — München, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.27183#0012
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I.

Renoir begann im bequemen Geleise der Romantik. Er war
1863 wie so viele andere beginnende Meister vom Salon refüsiert
worden. 1864 wurde er mit einem Gemälde „Esmeralda“ zu-
gelassen. Da dieses Bild und die wenigen anderen derselben
Richtung von ihrem Urheber zerstört wurden, können wir uns
keinen Begriff von dem Debüt machen. 1865 stellte er, wie Duret
berichtet*), ein Frauenbildnis und eine „Soiree d’Ete“ aus, die
bereits den Naturalismus verraten, aber kaum wesentlich sind.

Merkwürdiger erscheint das große Gruppenbild, „Le Cabaret de la
Mere Anthony“ **), das im Januar 1866 in Marlotte, der alten Sommer-
residenz der Maler, entstand. Rechts im Hut sitzt Sisley, der
Intimus Renoirs, den er oft gemalt hat, daneben ein Maler Lecoeur
Hinter seinen Rücken macht sich die damals wohlbekannte Mere
Anthony zu schaffen. Der stehende Rapin, der sich gerade eine
Zigarette dreht, ist Renoir selbst. Daneben räumt die hübsche
Nana, die Tochter der Wirtin, von deren weitem Herzen Wunder-
dinge erzählt werden, das Geschirr des Frühstücks ab. Auf der
Rückwand zwischen gekritzelten Noten und Versen ein paar Kari-
katuren von Musikern. Die gespenstische Gestalt links ist Murger,
dessen Geist man auch ohne dieses Signum in dem Bilde spüren
würde. Es ist eine sehr lockere Improvisation in bräunlichen Tönen,
ohne jeden Ehrgeiz gemalt. Die Köpfe scheinen ebenso spielerisch
aus weicher Laune enstanden wie der schnurrige Pudel, den ein
Kind gezeichnet haben könnte. Aber dem Kindlichen gelingt, was
oft der Bewußtheit entgeht. Man spürt diese Menschen, und nicht
nur sie selbst, auch das, was sie gemein haben, die Art ihres Zu-
sammenseins, ihre ganze harmlose Existenz. Wohl fehlt die ge-
ringste Andeutung der strahlenden Palette, ohne die wir uns heute
keinen Renoir denken können. Aber die noch ungelenke Hand
kündigt uns mit bedeutungsvolleren Zeichen jene seltene räumliche
Fülle an, die auch nach Abzug der rauschenden Farbe von allen Ge-
mälden des Meisters zurückbleibt.

Die 1866 67 gemalte „Diane Chasseresse“***), die 1867 vom
Salon refüsiert wurde, verrät im Motiv und manchen Details die

*) Les Peintres Impressionistes (Floury, Paris 1906).

**) Gegenwärtig im Besitz des Bronzenverlegers Hebrard in Paris.

***) Sammlung Viau in Paris.

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