tenden Teile des Werkes mit gewaltiger Hand bändigt, taumeln
in grauem Dunst verworrene plumpe Massen. Nicht nur die Frauen
sind verkleidet, das ganze Bild ist es. Man fühlt, daß sich der Maler
Zwang antat, seinem Geist ein fesselndes Gewand umhängte und
aus mühsam erzielten Einzelheiten ein Ganzes zu bauen suchte.
Renoir hat nie schmutziger gemalt, obwohl er nie vorher so viele
starke Farben verwendet hat. Das Grau Courbets kämpft einen
unentschiedenen Kampf mit Delacroix’ Palette, dem wir verblüfft
zuschauen. Und doch haben wir einen Renoir vor uns, genug von
dem alten, viel von dem neuen. Wohl wäre uns das Bild wenig
wert ohne seine Folgen. Der Ringende durfte sich sagen: noch
ein paar solche Niederlagen, und ich habe gewonnen. Dem Reichen
stählen Verluste die Kraft. Vielleicht war es nur ein Überschuß
von Kraft, was ihn zu dem aussichtslosen Versuch getrieben hatte.
Den Rückblickenden, die das Folgende kennen, bleibt nur die Kraft
übrig. Auch Delacroix hat als Anfänger gestrauchelt. Wie in der
weiten Ebene der „Massacres de Chios“ die noch isolierten Teile
wie kolossale Felsblöcke herumliegen, in denen man die Hand des
zukünftigen Meisters erkennt, so leuchten aus dem verworrenen Dunst
dieses kleineren Werkes kostbare Einzelheiten hervor, die nur der
Sammlung warten. Sie kamen in diesem Moment zu schnell, zu
gewaltsam. Es bedurfte der Zeit, um den Nebel zu zerstreuen, unter
dessen Schutz den Teilen Glieder wuchsen.
Die Schwierigkeit lag in dem zu wählenden Prinzip der Ver-
einfachung. Renoir ist kein Delacroix und hat sich nie als Dela-
croix gefühlt. Er ist viel einfacher organisiert, hat nichts von
den weitreichenden geistigen Spekulationen des Dantemalers, noch
von seine großen Geste. Er fühlte seine Zugehörigkeit zu jener
Welt wie der sehnsüchtige Wanderer am Ufer frohlockend den
Sturm spürt, der weit vor ihm in den Wogen das stolze Schiff
umbraust. Auf festem Lande zu bleiben, gebot ihm die Selbst-
erhaltung. Er rechnete mit der Zeit, die einen Künstler von dem
Universalismus Delacroix’ nicht mehr duldet, mußte damit rechnen.
Diaz soll in Chailly dem Anfänger als wichtigste Vorschrift eingeprägt
haben, nur nach der Natur zu malen*), und Renoir soll den Satz zu
*) Nach dem Bericht des Bruders in dem oben erwähnten Aufsatz der „Vie
Moderne“ von 1879 sagte Diaz zu ihm: „Que jamais un peintre qui se respecte ne
doit toucher ä un pinceau s’il n’a pas son modele sous les yeux.“
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in grauem Dunst verworrene plumpe Massen. Nicht nur die Frauen
sind verkleidet, das ganze Bild ist es. Man fühlt, daß sich der Maler
Zwang antat, seinem Geist ein fesselndes Gewand umhängte und
aus mühsam erzielten Einzelheiten ein Ganzes zu bauen suchte.
Renoir hat nie schmutziger gemalt, obwohl er nie vorher so viele
starke Farben verwendet hat. Das Grau Courbets kämpft einen
unentschiedenen Kampf mit Delacroix’ Palette, dem wir verblüfft
zuschauen. Und doch haben wir einen Renoir vor uns, genug von
dem alten, viel von dem neuen. Wohl wäre uns das Bild wenig
wert ohne seine Folgen. Der Ringende durfte sich sagen: noch
ein paar solche Niederlagen, und ich habe gewonnen. Dem Reichen
stählen Verluste die Kraft. Vielleicht war es nur ein Überschuß
von Kraft, was ihn zu dem aussichtslosen Versuch getrieben hatte.
Den Rückblickenden, die das Folgende kennen, bleibt nur die Kraft
übrig. Auch Delacroix hat als Anfänger gestrauchelt. Wie in der
weiten Ebene der „Massacres de Chios“ die noch isolierten Teile
wie kolossale Felsblöcke herumliegen, in denen man die Hand des
zukünftigen Meisters erkennt, so leuchten aus dem verworrenen Dunst
dieses kleineren Werkes kostbare Einzelheiten hervor, die nur der
Sammlung warten. Sie kamen in diesem Moment zu schnell, zu
gewaltsam. Es bedurfte der Zeit, um den Nebel zu zerstreuen, unter
dessen Schutz den Teilen Glieder wuchsen.
Die Schwierigkeit lag in dem zu wählenden Prinzip der Ver-
einfachung. Renoir ist kein Delacroix und hat sich nie als Dela-
croix gefühlt. Er ist viel einfacher organisiert, hat nichts von
den weitreichenden geistigen Spekulationen des Dantemalers, noch
von seine großen Geste. Er fühlte seine Zugehörigkeit zu jener
Welt wie der sehnsüchtige Wanderer am Ufer frohlockend den
Sturm spürt, der weit vor ihm in den Wogen das stolze Schiff
umbraust. Auf festem Lande zu bleiben, gebot ihm die Selbst-
erhaltung. Er rechnete mit der Zeit, die einen Künstler von dem
Universalismus Delacroix’ nicht mehr duldet, mußte damit rechnen.
Diaz soll in Chailly dem Anfänger als wichtigste Vorschrift eingeprägt
haben, nur nach der Natur zu malen*), und Renoir soll den Satz zu
*) Nach dem Bericht des Bruders in dem oben erwähnten Aufsatz der „Vie
Moderne“ von 1879 sagte Diaz zu ihm: „Que jamais un peintre qui se respecte ne
doit toucher ä un pinceau s’il n’a pas son modele sous les yeux.“
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