Doch wird das Schöpferische in nichts gehindert. Der Aufschwung
der Renoirschen Produktion um die Mitte der achtziger Jahre läßt
die reiche Ernte um die Mitte der siebziger Jahre weit hinter sich.
Der Reichtum der Arten wiederholt sich auf einem weit höheren
Niveau. In den Werken wirkt eine geeintere, mächtigere An-
schauung, und sie verdoppelt gleichsam die Vielheit der Motive.
Neben den „Baigneuses“ steht das bedeutendste Gruppen-
bildnis Renoirs. Es ist das große Gemälde der Berliner National-
galerie, das Interieur mit den drei Kindern „L’apresmidi des
enfants ä Wargemont“. Renoir malte es schon im Sommer
1884 in dem kleinen Orte Wargemont an der Küste bei Dieppe,
auf der Besitzung eines reichen Mannes, namens Berard, für den
er damals mehrere Bilder geschaffen hat. Die Dargestellten sind
die Töchter des Herrn Berard. Renoir hat sie vorher wiederholt
in Einzelbildnissen gemalt. Sie sind in einem Raum, den nur die
moderne Kunst darstellen konnte. Früher hat es solche Zimmer
in der Malerei nicht gegeben, und man ist vor dem Bilde ver-
sucht, sich zu fragen, ob es solche Zimmer je vorher in der
Wirklichkeit gab. Es ist ein Sommerhaus draußen auf dem Lande,
dessen Wände der Sonne, der Freude nicht den Einlaß ver-
wehren. Ein Sitz der Sonne. Das Licht flutet hindurch. Ein Licht,
das nicht blendet, nicht erhitzt, nicht erschlafft, das den Schatten
entbehrlich macht. Eine Lichtatmosphäre, die diesen Menschen,
diesen Dingen natürlich ist, da sie mit ihnen entstand. Eigentlich
ist der Raum ebensogut Sitz eines Märchens. Farben leben darin.
Sie brauchten nichts Gegenständliches zu geben, so reich ist ihr
Dasein an sich. Die Rosa, die lichten Grün, das Blau und Rot
und vor allem das Orange scheinen die Personen des Märchens.
Sie spielen miteinander. Die blauen und grünen Töne vereinigen
sich in dem weißgeränderten Sofa. Stellenweise liegt das Grün
als Hauch auf dem Blau; an den hellsten Stellen scheint das Ge-
menge ganz vom Licht absorbiert. Noch heller steht dahinter die
holzgetäfelte Wand, in der das Blau fast zu Weiß verdunstet. Auf
dem Sofa aber sitzt das reizendste Mädel, das Renoir je gemalt
hat und ist mit tiefem Ernst ganz bei der Lektüre des rotgetupften
Bilderbuchs. (Welcher Genremaler hat dergleichen je so charak-
teristisch geschildert!) Etwas von dem Duft der Tänzerin des
Jahres 1874 umgibt die Kleine, aber berührt kaum ihr eigentliches
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der Renoirschen Produktion um die Mitte der achtziger Jahre läßt
die reiche Ernte um die Mitte der siebziger Jahre weit hinter sich.
Der Reichtum der Arten wiederholt sich auf einem weit höheren
Niveau. In den Werken wirkt eine geeintere, mächtigere An-
schauung, und sie verdoppelt gleichsam die Vielheit der Motive.
Neben den „Baigneuses“ steht das bedeutendste Gruppen-
bildnis Renoirs. Es ist das große Gemälde der Berliner National-
galerie, das Interieur mit den drei Kindern „L’apresmidi des
enfants ä Wargemont“. Renoir malte es schon im Sommer
1884 in dem kleinen Orte Wargemont an der Küste bei Dieppe,
auf der Besitzung eines reichen Mannes, namens Berard, für den
er damals mehrere Bilder geschaffen hat. Die Dargestellten sind
die Töchter des Herrn Berard. Renoir hat sie vorher wiederholt
in Einzelbildnissen gemalt. Sie sind in einem Raum, den nur die
moderne Kunst darstellen konnte. Früher hat es solche Zimmer
in der Malerei nicht gegeben, und man ist vor dem Bilde ver-
sucht, sich zu fragen, ob es solche Zimmer je vorher in der
Wirklichkeit gab. Es ist ein Sommerhaus draußen auf dem Lande,
dessen Wände der Sonne, der Freude nicht den Einlaß ver-
wehren. Ein Sitz der Sonne. Das Licht flutet hindurch. Ein Licht,
das nicht blendet, nicht erhitzt, nicht erschlafft, das den Schatten
entbehrlich macht. Eine Lichtatmosphäre, die diesen Menschen,
diesen Dingen natürlich ist, da sie mit ihnen entstand. Eigentlich
ist der Raum ebensogut Sitz eines Märchens. Farben leben darin.
Sie brauchten nichts Gegenständliches zu geben, so reich ist ihr
Dasein an sich. Die Rosa, die lichten Grün, das Blau und Rot
und vor allem das Orange scheinen die Personen des Märchens.
Sie spielen miteinander. Die blauen und grünen Töne vereinigen
sich in dem weißgeränderten Sofa. Stellenweise liegt das Grün
als Hauch auf dem Blau; an den hellsten Stellen scheint das Ge-
menge ganz vom Licht absorbiert. Noch heller steht dahinter die
holzgetäfelte Wand, in der das Blau fast zu Weiß verdunstet. Auf
dem Sofa aber sitzt das reizendste Mädel, das Renoir je gemalt
hat und ist mit tiefem Ernst ganz bei der Lektüre des rotgetupften
Bilderbuchs. (Welcher Genremaler hat dergleichen je so charak-
teristisch geschildert!) Etwas von dem Duft der Tänzerin des
Jahres 1874 umgibt die Kleine, aber berührt kaum ihr eigentliches
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