Der Umfang der Wirkung erhebt das Bild über alle vorher-
gehenden Gruppenbildnisse. Man mag manche Eigenschaften der
„Familie Charpentier“ vermissen, das Virtuosentum von altmeister-
lichen Gnaden, das alles, was Pinsel und Farbe an schmeichlerischen
Reizen vermögen, zum Lobe der objektiven Eleganz des Gegen-
standes aufbot. Man wird nicht die Eleganz der „Loge“ finden,
den Pomp des Bildnisses der schwarzen Dame, die pikante Allüre
der „Lise“. Aber alle diese Eigenschaften, mit denen sich wohl
ein Stück Renoirs verband, erscheinen bruchstückhaft neben dem
neuen Begriff der Schönheit, den wir in den „Kindern Berard“
erkennen. Dieser Begriff ist weiter. Er besteht nicht aus einer
an eine bestimmte Art von Menschen gebundenen Eleganz, aus
einem spezifischen Pomp, aus einer bestimmten pikanten Allüre,
aber besitzt alle diese Eigenschaften und noch mehr dazu. Und
er besitzt sie in einer weniger abhängigen, mehr produktiven
Form. Er nötigt uns, sie als solche zu erkennen, ohne uns un-
mittelbar an irgendein aktuelles Muster zu erinnern. Die Eleganz,
der Pomp, die Pikanterie der „Kinder Berard“ sind zeitloser und
gegenstandloser. Sie behaupten sich z. B. trotz den nahezu un-
graziösen, jedenfalls nichts weniger als eleganten Gestalten der
beiden Mädchen am Tisch und teilen sich dem Raum mit, obwohl sie
keineswegs das anspruchslose Zimmer eines Landhauses verhüllen.
Sie sind Eigenschaften der Anschauung geworden. Wir erkennen
in ihnen das Erfinderische, dessen Art wir schon bei dem Vergleich
des Bildnisses der kleinen Durand Ruel mit der Miß Alexander
Whistlers fanden. Die Art hat jetzt einen so hohen Grad gewonnen,
daß uns der Reichtum mancher früheren Bilder aus fast denselben
Gründen überwunden erscheint, die wir gegen Whistler fanden.
So läßt uns der neue Renoir z. B. die gar zu porträtierte Üppig-
keit der „Familie Charpentier“ erkennen. Wir sehen die Ge-
stalten und Dinge dieses Bildes für einen Zweck bestimmt, der
uns nicht mehr genügt, finden das Stilleben im Hintergrund, so
schön es ist, zu stillebenhaft, in einem gewissen Sinne unsachlich,
trotzdem es mit größter Sachlichkeit gemalt ist, finden den ein-
fachen Blumentopf am Fenster des Zimmers von Wargemont un-
vergleichlich schöner, weil er in demselben Sinne sachlicher ist.
Der ganze Aufbau der Gruppe in dem älteren Werke erscheint
ein wenig gesucht, ein wenig künstlich und, merkwürdigerweise,
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gehenden Gruppenbildnisse. Man mag manche Eigenschaften der
„Familie Charpentier“ vermissen, das Virtuosentum von altmeister-
lichen Gnaden, das alles, was Pinsel und Farbe an schmeichlerischen
Reizen vermögen, zum Lobe der objektiven Eleganz des Gegen-
standes aufbot. Man wird nicht die Eleganz der „Loge“ finden,
den Pomp des Bildnisses der schwarzen Dame, die pikante Allüre
der „Lise“. Aber alle diese Eigenschaften, mit denen sich wohl
ein Stück Renoirs verband, erscheinen bruchstückhaft neben dem
neuen Begriff der Schönheit, den wir in den „Kindern Berard“
erkennen. Dieser Begriff ist weiter. Er besteht nicht aus einer
an eine bestimmte Art von Menschen gebundenen Eleganz, aus
einem spezifischen Pomp, aus einer bestimmten pikanten Allüre,
aber besitzt alle diese Eigenschaften und noch mehr dazu. Und
er besitzt sie in einer weniger abhängigen, mehr produktiven
Form. Er nötigt uns, sie als solche zu erkennen, ohne uns un-
mittelbar an irgendein aktuelles Muster zu erinnern. Die Eleganz,
der Pomp, die Pikanterie der „Kinder Berard“ sind zeitloser und
gegenstandloser. Sie behaupten sich z. B. trotz den nahezu un-
graziösen, jedenfalls nichts weniger als eleganten Gestalten der
beiden Mädchen am Tisch und teilen sich dem Raum mit, obwohl sie
keineswegs das anspruchslose Zimmer eines Landhauses verhüllen.
Sie sind Eigenschaften der Anschauung geworden. Wir erkennen
in ihnen das Erfinderische, dessen Art wir schon bei dem Vergleich
des Bildnisses der kleinen Durand Ruel mit der Miß Alexander
Whistlers fanden. Die Art hat jetzt einen so hohen Grad gewonnen,
daß uns der Reichtum mancher früheren Bilder aus fast denselben
Gründen überwunden erscheint, die wir gegen Whistler fanden.
So läßt uns der neue Renoir z. B. die gar zu porträtierte Üppig-
keit der „Familie Charpentier“ erkennen. Wir sehen die Ge-
stalten und Dinge dieses Bildes für einen Zweck bestimmt, der
uns nicht mehr genügt, finden das Stilleben im Hintergrund, so
schön es ist, zu stillebenhaft, in einem gewissen Sinne unsachlich,
trotzdem es mit größter Sachlichkeit gemalt ist, finden den ein-
fachen Blumentopf am Fenster des Zimmers von Wargemont un-
vergleichlich schöner, weil er in demselben Sinne sachlicher ist.
Der ganze Aufbau der Gruppe in dem älteren Werke erscheint
ein wenig gesucht, ein wenig künstlich und, merkwürdigerweise,
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