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Meurer, Moritz
Pflanzenformen: vorbildliche Beispiele zur Einführung in das ornamentale Studium der Pflanze; zum Gebrauche für Kunstgewerbe- und Bauschulen, Technische Hochschulen und höhere Unterrichtsanstalten sowie für Architekten und Kunsthandwerker — Dresden, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.43158#0039
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Ringelungen die untere Verbindung des Henkels versinnlicht; in ähnlicher Weise wird die Pflanzen-
ranke in ihren nutierend-fassenden Eigenschaften verwendet; häufig wird dieser Gedanke aber noch
durch die Anfügung tierischer Organe unterstützt: durch greifende Hände und Füsse, beissende Vogel-
schnäbel und Rachen der Amphibien oder fassend wirkende Palmetten; bald wird -— und sei es auch
nur durch Bemalung — die Verbindung durch schuppenartig zusammengereihte Pflanzenorgane bewirkt,
welche die Anfügungsstelle als eine Art von festigendem Knoten erscheinen lässt, ein andermal durch
knöpf- oder nagelartig wirkende Rosetten oder kleine Masken bezeichnet, welche dann gleichzeitig den
Henkel stützen. Ebenso werden die Füsse der Geräte durch Anfügung weiterer Bilder dem Getragenen
verbunden: den das Kohlenbecken stützenden Tatzen und damit verbundenen Kinderköpfchen werden
Flügelchen angefügt, um seinen oblongen Kasten an den Ecken beiderseitig zu fassen.
In vermehrter und in unmittelbarer an die Erscheinung des Vorbildes angeschlossener Weise
werden in der Kleinkunst die textilen Bilder der Architektur verwendet. Auch hierbei ist aber zu sehen,
wie die Kunst je nach den Ideen und Zwecken ihrer Erzeugnisse sich der Vorbilder in
der verschiedensten Weise bedient, indem sie nicht sowohl das Mass des geringeren
oder grösseren Naturalismus, teilweiser oder gänzlicher Abziehung der vorbildlich en
Formen, sondern auch das Mass ihrer spielenderen oder ernsteren Kräfte, der minderen
oder vermehrten Bedeutung ihres Wesens mit den wechselnden Bedingungen der
Kunstformen in Einklang setzt.
Auch für den rein formalen Zusammenhang der Glieder, wie z. B. für die Überleitung der
Grundrissform des einen in die andersartige des anschliessenden Gliedes giebt die Naturform häufig die
Mittel: mit Flilfe der Pflanzenspirale wird die cylindrische Gestalt des korinthischen Kapitells in die
quadratische Bildung des Abakus, wie umgekehrt die viereckige Basis der mittelalterlichen Säule durch
das dem Wulste an den Ecken aufgelegte Blattwerk in ihren runden Schaft übergeführt.
Wird der konstruktive Zusammenhang von Architekturformen, von Gerät und Gefäss häufig
schon durch Formen organisirt, welche dem Boden der Natur erwachsen sind, so wählt das eigentliche
Ornament als solches und in sich in noch viel unmittelbarerer Weise die Bilder für die Verbindung seiner
Elemente aus der lebenden Formenwelt und besonders aus dem vegetabilen Organismus. Die Betrach-
tung der Pflanze selbst giebt uns allerwärts die Beispiele, wie die Reihung der Glieder, die Art ihrer
Zusammenfügung, überhaupt die ganze Kontinuität des Ornamentes auf Anwendung ihrer Wuchs-
erscheinungen beruht.
4. Der Begriff des Flächenschmuckes lässt sich, soweit solche Begriffe überhaupt ausein-
ander zu halten sind, weiter und enger fassen. Im weiteren Sinne können wir allen Schmuck, welcher
als unselbständiges Element die Flächen belebt und nicht durch die Körper selbst repräsentiert wird,
schon als Flächenschmuck bezeichnen, wie z. B. das plastische Ornament eines Frieses im Gegensatz zu
einem Bau- oder Gefässteile, welcher die Kunstform in seiner eigenen Erscheinung enthält, wie z. B.
die freie Endigung in Form eines Zapfens oder einer Knospe. Die Grenzen dieses Unterschiedes sind
aber schwer zu ziehen und es wird daher im engeren Sinne meist nur dasjenige Ornament als Flächen-
schmuck bezeichnet, welches sich über die zu schmückende Form nicht erhebt, mag sie stereometrisch
oder als Ebene erscheinen. Indes verfahren wir bei Anwendung dieses Begriffs auch nicht mit absoluter
Strenge, indem wir auch gewisse abgezogene Darstellungsweisen des Reliefs in diesen Begriff einschliessen.

Die Bemessung
des Wertes der
Vorbilder für den
(gebotenen Grad
ihrer Wirkung in
der Kunstform.

Die Naturformen
als Ausdrucks-
mittel für den
struktiven und or-
ganischen Zu-
sammenhang des
Ornamentes.

Die Naturformen
im
Flächenschmuck.

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