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Meurer, Moritz
Pflanzenformen: vorbildliche Beispiele zur Einführung in das ornamentale Studium der Pflanze; zum Gebrauche für Kunstgewerbe- und Bauschulen, Technische Hochschulen und höhere Unterrichtsanstalten sowie für Architekten und Kunsthandwerker — Dresden, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.43158#0067
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des Lehrstoffes, sondern auch durch die Abhängigkeit von den Jahreszeiten und ihrer Flora an ein ziem-
lich gleichartigesVorbildermaterialgebunden ist, wird es manches für sich haben, während der Korrektur
des einzelnen Schülers das ihn beschäftigende Objekt zu benutzen, um der ganzen Klasse während der
Arbeit das Wesen ihrer Form und ihrer künstlerischen Bezüge durch Wort und zeichnerische Demon-
stration an der Wandtafel zu erklären. Es hat dies den schon angedeuteten Vorteil, dass das aktuelle
Interesse an der gerade zu zeichnenden Form und ihre unmittelbare Vergleichsmöglichkeit mit
der verwandten Kunstform diese Art der Unterweisung besonders wirksam macht. Indessen wird diese
Methode den leitenden Faden und eine geschlossene Beweisführung vermissen lassen, welche den
Schüler erst wirklich belehrt, indem sie ihn überzeugt. Deshalb wird es zweckmässig sein, wenigstens
in den Klassen, welche sich mit dem Naturstudium besonders beschäftigen einen Mittelweg einzuschlagen;
einen kurzen allgemeinen Vortrag (der vielleicht dem wöchentlichen Unterrichtsturnus in der ersten
Stunde vorausgeschickt werden kann) mit den Einzelerklärungen zu verbinden. Ein halbstündiger Vor-
trag wird bei einem Unterrichte von 6 Stunden diesem Bedürfnis genügen.
Die mündliche Unterweisung wird sich in zwei Teile gliedern: in einen botanischen und einen
stilistischen. Der botanische Vortrag muss mit dem Beginne des Zeichnens nach der Natur verbunden
werden. Dass er nicht im wissenschaftlichen Sinne gehandhabt werden kann, dass der Schüler dabei
namentlich mit der Klassifizierung und Nomenklatur der Pflanze, welche für den Zweck seines Studiums
keine Bedeutung haben, verschont werden muss, ist selbstverständlich. Eine allgemeine Kenntnis
— namentlich der Bezeichnung der Formen •— bringt er ohnehin schon aus der Bürgerschule mit.
Die mündliche Unterweisung wird sich und zwar in der knappsten Form lediglich mit der Morpho-
logie der Pflanze im künstlerischen Sinne beschäftigen. Die Erschliessung der Gesetze, welche den
Gestaltungselementen und äusseren Formen der Pflanze zu Grunde liegen; die Vorführung ihrer
Struktur, der statischen Eigenschaften ihrer Glieder; die Erklärung ihrer Organe als Ausdrucksformen
ihres Zweckes, kurz aller künstlerischen Formenelemente, auf welche wir später im einzelnen zurück-
kommen werden, bilden die ausschliessliche Aufgabe dieses Vortrages. Wenn in diesem Teile des
Unterrichts auch die Betrachtung der Pflanze die Hauptsache bleibt, so muss seine ganze Fassung doch
schon von Anfang an auf das schliessliche Ziel des Studiums lossteuern; es wird deshalb auch am Platze
sein, hier und da schon auf diejenigen Kunstformen Bezug zu nehmen, mit denen der Schüler sich bereits
beschäftigt hat, um damit von vornherein seinen Sinn auf den besonderen Zweck des Pflanzenzeichnens
zu lenken.
Sind die Formen der Pflanze dem Schüler einigermassen geläufig, so kann sich der Vortrag in
den späteren Quartalen der stilistischen Betrachtung der Pflanze, der Vergleichung der Natur- und
Kunstformen zuwenden. Sache des Lehrers wird es sein, diese Unterweisung den verschiedenen Be-
dingungen und bestimmten Zielen, welche die einzelnen Unterrichtsanstalten verfolgen, sowie dem
Unterrichtsstoffe, dem vorhandenen Lehrmateriale und dem Auffassungsvermögen seiner Schüler mög-
lichst anzupassen.
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Botanische
und stilistische
Unterweisung.

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