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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0253
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Herrschererhebungen des Spätmittelalters

Herrschaftswechsels von 1298 im Hinblick auf die werdende Reichsverfassung zu in-
terpretieren, einzuordnen und zu bewerten, darum gehen, die quellenmäßig fassbare
Abfolge der Ereignisse darzustellen. Der Fokus liegt dabei weniger auf der minutiösen
Rekonstruktion aller Verhandlungen und Heeresbewegungen als vielmehr auf den
rituellen Formen sowie auf dem Verhältnis der einzelnen Sequenzen der Herrscher-
erhebung zueinander.^
Dass die Erhebung eines Gegenkönigs wohl kaum als >Betriebsunfall< (Ernst Schu-
bert) gedeutet werden kann, zeigt die anlässlich der Beilegung des langjährigen Streits
zwischen Albrecht von Habsburg und Wenzel von Böhmen im Februar 1298 erstmals
auch konkret in Betracht gezogene Möglichkeit einer Neuwahl. Zwar sind diese Be-
stimmungen nicht als das »vorrangige, geschweige denn das einzige Ziel« des Abkom-
mens, sondern eher als Vorsorge für »eine unwahrscheinliche, aber nicht unmögliche
Option« interpretiert worden,^ doch sprechen die Quellen eine andere Sprache: tjuam
cito zu regem Ecwzanorzz/zz elzgz nos eonlz'zzgci, sobald er zum römischen König gewählt wer-
den sollte, wollte Albrecht dem Böhmenkönig verschiedene Reichsländer (fernze zmperzz)

kann. Zwar nannten die Grafen von Zweibrücken als Mitstreiter Albrechts diesen am Tag der
Schlacht noch Herzog (ebd., unter Verweis auf RI VI,2 Nr. 1003), aber schwerer wiegt doch
dessen Selbstaussage, als er sich am 5. Juli, drei Tage nach der Schlacht, als AiNrfas Dez gracz'a
RcwMMorMZ?: rrx titulierte (MGH Const. 4, Nr. 7, S. 6). Von diesen Einwänden unbenommen bleibt
die von Schubert und Rexroth vorgenommene Revision mancher anachronistischer Deutungs-
muster, wie sie unter anderem bei DoMEiER, Zur Absetzung Adolfs von Nassau, anklingen.
Nicht richtig ist jedoch, dass REXROTH, Tyrannen und Taugenichtse, S. 30 Victor Domeier unter-
stellt, er habe es »vor 114 Jahren noch für ganz selbstverständlich gehalten«, dass »die Abset-
zung Adolfs von Nassau im Jahre 1298 der >Höhepunkt des nationalen Widerstandes gegen die
Ansprüche der Kurie< bedeutete«. Das Zitat bei DoMEiER, Zur Absetzung Adolfs von Nassau,
S. 6 bezieht sich nämlich gerade nicht auf die Absetzung von 1298, sondern auf den »Protest der
Fürsten 1239/45«. Auch das im Anschluss von Rexroth angeführte Zitat betrifft diesen Protest
sowie die Beschlüsse des Kurvereins von Rhens einhundert Jahre später, so dass nicht 1298
»>die Loslösung eines deutsch-nationalen Fürstentums aus der Machtspähre der Kurie< ge-
bracht habe« (so Domeier nach Rexroth), sondern »beide Akte [der Protest der Fürsten 1239/45
und der Rhenser Kurverein, A.B.] ... die fortschreitende Loslösung eines deutsch-nationalen
Fürstentums aus der Machtspähre der Kurie [bezeichnen]« (so Domeier selbst). Man kann sich
des Verdachts nicht erwehren, dass hier bewusst eine Sichtweise des 19. Jahrhunderts als nega-
tive Kontrastfolie konstruiert wird, um dann gegen eben diese »>nationalen Meistererzählun-
gen<« angehen zu können. Sicherlich neigte die frühere Forschung stark zu solchen Darstel-
lungsmustern, doch entbindet dies den späteren Historiker keineswegs von der Verpflichtung,
diese Deutungsschemata korrekt und ohne verfälschende Vereinfachung wiederzugeben.
362 MoEGLiN, Chute et mort dAdolf de Nassau, verfolgt hingegen die unterschiedliche Wahrneh-
mung und Bewertung des Herrschaftswechsel von 1298 in den Quellen, ohne auf die Rekon-
struktion der »evenements reelment survenus« eingehen zu wollen, die Generationen von
Historikern zu etablieren versucht hätten, wobei ihre Bemühungen »forcement incertain« ge-
blieben seien (S. 153, Nachtrag). Einen ähnlichen Ansatz verfolgte bereits die Dissertation von
Hanspeter Danuser (DANUSER, Göllheim und Königsfelden), die Moeglin jedoch nicht herange-
zogen hat. Unabhängig von Moeglin unternahm auch WALLNER, Zwischen Königsabsetzung
und Erbreichsplan, S. 25-39 eine Durchsicht der erzählenden Quellen zum Herrschaftswechsel
1298, ohne jedoch auf die Krönung Albrechts näher einzugehen. Gleiches gilt für die nach ver-
schiedenen Herkunftsräumen geordnete Durchsicht der historiographischen Quellen zur Ab-
setzung Adolfs und der Wahl Albrechts bei LENZ, Konsens und Dissens, S. 110-118,177-185 und
215-217.
363 PRiETZEL, Das Heilige Römische Reich, S. 32. Zur Bedeutung des Abkommens ebenfalls skep-
tisch SCHUBERT, Absetzung König Adolfs von Nassau, S. 284f., dessen Einwände jedoch nicht
überzeugen können.
 
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