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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Universität Heidelberg [Contr.]; Universität Heidelberg [Contr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0193
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192

6. Tod ohne Gewalteinwirkung

ber, auch wenn er sich mehrere Jahre im Reich nördlich der Alpen auf gehalten
hatte und König Rudolf persönlich bekannt war,1099 Geschehenes falsch ver-
standen hat: Im Brief wird mit keinem Wort deutlich, dass Theodericus von
Orvieto um die besondere Bedeutung der Speyerer Grablege wusste. Mög-
licherweise hatte er von einer Reise nach Speyer kurz vor dem Tod erfahren,
konnte sich keinen Reim darauf machen und suchte nach naheliegenden Er-
klärungen - einer Reise in Hoffnung auf Besserung mit dem für den Kranken
schonendsten Verkehrsmittel, einem Schiff.
Für die Chronisten, die beginnend mit Gottfried von Ensmingen die be-
sondere Bedeutung Speyers als Grablege stets betonten, konnte es hingegen kein
Zufall sein, dass König Rudolf gerade in Speyer - oder im nahegelegenen Ger-
mersheim - verstarb. Zunächst betonten die Schreiber noch die besondere
Grab lege, nach 1309 gestaltete Ottokar das Bild eines aktiven, unerschrockenen
Grabritts. Hierbei muss auch eine Tendenz in historiographischen Schilderungen
beachtet werden: Wichtige Ereignisse werden oftmals Orten zugeschrieben, die
hierfür als prädestiniert angesehen werden. Gerade im Falle der Speyerer
Grablege ist bekannt, dass Könige, die nicht im Dom bestattet wurden, von
Chronisten mehrfach als dort bestattet geschildert wurden.1100 Der Brief des
Theodericus von Orvieto und die chronikalische Überlieferung zeigen somit
zwei zeitgenössische Sichtweisen auf Sterben, Tod und Grablege des ersten
habsburgischen Königs auf.
Die Frage nach dem Grabesritt kann nicht abschließend geklärt werden,
allerdings zeigt die Diskussion Eigenheiten der Überlieferung auf. Es wird
deutlich, dass der Grabesritt nur unter Vorbehalt als intentionale Handlung des
Königs gesehen und dementsprechend interpretiert werden sollte,1101 da nicht
ausgeschlossen werden kann, dass es sich um spätere Zuschreibungen han-
delt.1102 Ähnliches gilt für Aussagen über die Strahlkraft der Speyerer Grablege,
diese kann aus denselben Gründen nur eingeschränkt mit dem vermeintlichen
Grabesritt von 1291 für das 13. Jahrhundert untermauert werden. Deutlich wird
hingegen die Wirkung der doppelten Umbettung von 1309: Dieser Akt sorgte
dafür, dass sich die Überlieferung zum knapp 20 Jahre zuvor erfolgten Tod
Rudolfs I. veränderte, der Grabesritt trat nun in den Mittelpunkt und wurde zur
intentionalen Handlung.

1099 Schaller, Brief, S. 576.

1100 Siehe hierzu Kapitel A 1.4.

1101 Erkens, Tradition, S. 36 sieht im Grabesritt den „überaus deutliche Ausdruck" eines Strebens
nach Anschluss an die salisch-staufische Tradition. Ihm folgend Kaufhold, Deutsches Interre-
gnum, S. 129 („bewußter und erwarteter Tod in Speyer"). Ebenso auch Meyer, Königs- und
Kaiserbegräbnisse, S. 19-30/S. 215 f., der den von Pertz entdeckten und von Schaller edierten
Brief nicht zur Kenntnis nimmt und von der Faktizität des Grabrittes ausgeht. Der Grabritt sei
das „Auffälligste" am Tod König Rudolfs und eine „besondere Betonung seines Königtums".
Dies muss, zumindest in Nuancen, korrigiert werden, da eine nachträgliche Zuschreibung statt
einer bewussten Handlung des Königs nicht ausgeschlossen werden kann.

1102 Bis zum Erschienen von Redlich, Rudolf und dem von Redlich herausgegebenen Regest (siehe
S. 185 Anm. 1051) wurde in der Forschung immer wieder Germersheim als Sterbeort angegeben,
siehe Kamenzin, König.
 
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