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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0192

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6.10. Rudolf I. und der gute Tod im hohen Alter

191

positiv konnotiert, durch Zuschreibung eines friedlichen Lebensabends.1093 Be-
sonders hervorzuheben ist hierbei die eingangs erwähnte Chronica de gestis
principum, die von einem lobenswerten Lebensende nach dem Empfang der
Sterbesakramente und dem Aufsetzen eines - in keiner anderen Quelle er-
wähnten - Testaments berichtet.1094 Ebenfalls bemerkenswert ist die Beschrei-
bung in den Annalen von Sindelfingen, Rudolf sei auf dem Weg nach Speyer von
der Königin, seiner Schwiegertochter, dem Pfalzgrafen bei Rhein und Herzog
von Bayern Ludwig II. und vielen weiteren Adligen begleitet worden.1095 Die
erste bayerische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik berichtet knapp, der
König sei nach Speyer gereist, als er sehr krank geworden sei. Dort habe er nach
längerem Siechtum die Sterbesakramente empfangen und sei verstorben.1096 Ein
Indiz gegen den Grabesritt findet sich in der Chronik des Stiftes St. Simon und
Judas in Goslar, die, wie auch Mathias von Neuenburg, vermerkt, der König sei
in Germersheim gestorben und in Speyer begraben worden.1097
Damit steht der Brief des Theodericus von Orvieto scheinbar einer ganzen
Reihe von historio graphischen Zeugnissen entgegen, die nicht von einer Reise
mit Hoffnung auf Besserung, sondern von einem Grabesritt sprechen. Bei ge-
nauerer Betrachtung muss dieser Befund allerdings relativiert werden, denn
dem Brief steht vielmehr eine von der Chronik Ellenhards ausgehende Erzähl-
tradition gegenüber, die ihre wirkmächtige Ausprägung durch den Dichter Ot-
tokar unter dem Eindruck der Umbettungen von 1309 erfahren hat. Mit der
Schilderung Gottfrieds von Ensmingen als Vorlage und unter Rückgriff auf be-
reits verwendete Motive schuf der Reimchronist eine Schilderung, die bis heute
unser Bild vom Sterbeverhalten des ersten habsburgischen Königs prägt.
Es liegt angesichts dieser Sachlage nahe, von späterer Verklärung zu spre-
chen und in dem Brief eine ,,nüchtern[e]" Sichtweise, im Vergleich zur späteren,
„von Zeitgenossen und Nachwelt verklärten", Variante zu sehen.1098 Es kann
allerdings auch nicht ausgeschlossen werden, dass der italienische Briefschrei-

1093 Annales Zwifaltenses maiores, ad a. 1291, S. 18: Ruodolfus rex Romanorum in pace vitam finivit.
Gesta Adofli regis, S. 239: [...] serenissimus rex Ruodolfus.

1094 Siehe S. 183 Anm. 1041.

1095 Annales Sindelfingenses, ad a. 1291, S. 66: Rudolfus rex venit ad civitatem Spirensem et regina etfilij
uxor, soror regis Boemie, et dux Ludovicus de Bauwaria et multi alij barones cum eo venerunt [...].-
RI VI,1 Nr. 2518a zieht eine Urkunde vom 30. Juni (RI VI,1 Nr. 2494) heran und folgert, die
meisten Zeugen hätten den König bei seiner Reise nach Speyer begleitet, ebenso Redlich, Rudolf,
S. 729 f. und Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse, S. 20. Auf Grundlage der Bezeugung für
einen Tag in der Nähe des Königs kann nicht sicher auf eine Begleitung im weiteren Verlauf
geschlossen werden.

1096 Sächsische Weltchronik. Erste Bairische Fortsetzung, S. 329: Der chuenich für ze jungst ze Speir, wan
er vast begunde chranchen. Do leit er sich ufsant Widen perch und siecht etwie lang. Do enpfie er elliu
christenlichen reht und starp. Er wart begraben ze dem tum bei andern einteiligen [...]. Siehe Kapi-
tel 4.3.3., Abschnitt „Sterbebrauchtum". - Zu weiteren hier behandelten Abschnitten aus dieser
Quelle siehe S. 144 Anm. 773.

1097 Chronik des Stiftes SS. Simon und Judas in Goslar, S. 597: In der sulven tid, alse dut slod sus wart
belegen, so sterfde konnig to Germersem in aller apostelen dage und licht begraven to Spire. Zu Mathias
von Neuenburg siehe S. 190 Anm. 1088.

1098 Schaller, Brief, S. 578.
 
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