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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0014

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Einleitung
„Wenn es nach dem Apostel schon für jeden Sterblichen schrecklich ist,
in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen, so muss das für die
Könige, die außer ihm keinen über sich haben, den sie fürchten müs-
sen, um so schrecklicher sein, als sie ja freier als die Übrigen sündigen
können [..J."1
Mit diesen Worten machte Otto von Freising klar, dass Könige seiner Auffassung
nach am Ende ihres Lebens das Urteil Gottes in einem besonderen Ausmaß
fürchten müssten, da sie zu Lebzeiten freier als andere sündigen konnten. Der
Freisinger Bischof, Halbbruder eines Königs, Onkel eines weiteren und bedeu-
tender Geschichtsschreiber, wusste, wovon er schrieb. Seine Werke sind voll von
Übernahmen antiker Texte, die von den Toden sündiger oder gar ketzerischer
Herrscher als Strafe Gottes berichten.2 Den Tod seines Halbbruders Konrad III.
hingegen schilderte er anders: Den „Geist seiner früheren Tapferkeit" habe dieser
auch „in seiner letzten Krise" bewahrt und seinen Neffen Friedrich L, den großen
Helden in den Werken Ottos von Freising, zum Nachfolger designiert.3 Könige
und Kaiser - so scheint es - mussten demnach nicht nur das Urteil Gottes,
sondern auch das der Chronisten besonders fürchten, denn diese urteilten über
verstorbene Herrscher, bewerteten Lebenswandel sowie Herrschaft und gestal-
teten die Darstellungen der Tode dementsprechend.
Die Überlieferungen zu den Toden der römisch-deutschen Könige und
Kaiser im Hoch- und Spätmittelalter wurden bislang nicht systematisch unter-
sucht. Weder die Erforschung von König- und Kaisertum noch das vermehrte
Interesse an Sterben und Tod haben hierzu geführt. So wurden nahezu alle
Lebensstationen der Herrscher wie Erhebung oder Hochzeit und auch das Le-
bensende von Königen anderer Reiche, Fürsten oder den Päpsten erforscht, die
Tode der Könige und Kaiser blieben bisher jedoch unbeachtet. Dies bedeutet
konkret, dass der angebliche Malariatod Konrads IIL, das vermeintliche Er-
trinken Friedrichs L, die Morde an Philipp II. und Albrecht L, der Schlachtentod
König Adolfs, die Giftmordgerüchte um den Tod Heinrichs VII. oder auch die
vielen Varianten vom Tod Friedrichs II. sowie dreizehn weitere Herrschertode
nicht vergleichend betrachtet wurden. Wie der Tod des Herrschers in der Stau-
ferzeit, dem Interregnum' und bis zur Goldenen Bulle wahrgenommen wurde,
ist nicht aufgearbeitet.

1 Otto von Freising, Chronica, lib. I, cap. 1, S. 2: Cum enim iuxta apostolum omni mortali horrendum sit
incidere in manus Dei viventis, regibus tarnen, qui nullum preter ipsum supra se habent, quem metuant,
eo erit horribilius, quo ipsi ceteris possunt peccare liberius, secundum illud viri sapientis [...]. Über-
setzung: Otto von Freising, Chronik, übers. Schmidt, S. 5. Der Einstieg stellt ein Zitat aus
Hebr 10,31 dar.

2 Siehe S. 68 Anm. 312/S. 67 Anm. 308/S. 226 Anm. 1304. Diesen Stellen kann noch der Straftod des
Kaisers Caligula nach Orosius hinzugefügt werden, Otto von Freising, Chronica, lib. III, cap. 12,
S. 149.

3 Otto von Freising/Rahewin, Gesta Friderici I. imperatoris, lib. I, cap. 70, S. 98. Siehe Kapitel 6.2.
 
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