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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0112

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6.4. Deutungshoheit durch Vorbereitung? Otto IV. und der Tod in Bedrängnis

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staufischen Ambitionen als Bedrohung wird mit dem Tod in Verbindung ge-
bracht. Aus diesem Blickwinkel heraus musste der Tod des Staufers als göttliche
Fügung erscheinen560 und Niketas schrieb Heinrich VI. einen schlechten Tod
durch Ehrgeiz zu.561 Der exemplarische Ab gleich zeigt somit, wie stark die
Schreibabsichten des Chronisten und der zeitgenössische Kontext sich in Schil-
derungen von Sterben und Tod niederschlugen.
Von einer gesicherten Diagnose der Todesursache oder Rekonstruktion der
Todesumstände kann somit auch bei Heinrich VI. nicht gesprochen werden.
Vielmehr zeigt die Überlieferung ein weiteres Mal auf, wie stark sich die zeit-
genössischen Umstände in den historiographischen Quellen zum Tod eines
Herrschers niederschlagen. Darüber hinaus lässt sich auch an diesem Fall die
Verformung der Details im Zuge des Informationsflusses über die Alpen beob-
achten.
6.4. Deutungshoheit durch Vorbereitung? Otto IV. und der Tod
in Bedrängnis
Otto IV. starb 1218 auf der Harzburg an einer Krankheit.562 Er war 1198, wie auch
Philipp II., im sogenannten Thronstreit zum König erhoben worden.563 Nach
dem Tod Philipps wurde Otto von vielen staufischen Parteigängern unterstützt
und 1209 von Innocenz III. zum Kaiser gekrönt.564 In der Folgezeit hielt er sich
jedoch nicht an Abmachungen mit dem Papst und griff Sizilien an. Innocenz III.
wandte sich daraufhin von dem Welfen ab, exkommunizierte ihn und unter-
stützte Friedrich II., der sich von Sizilien ins Reich nördlich der Alpen begab. Der
erneut entbrannte Kampf um den Thron wurde mit französischer Unterstützung
auf Seiten des Staufers und englischer Rückendeckung des Welfen ausgetra-
gen.565 1214 wurde dieser Streit in der Schlacht von Bouvines faktisch entschie-

Choniatae historia, S. 480 f. Das Giftmordgerücht oder den Thronstreit 1198 erwähnte Niketas

nicht.

560 So schreibt Niketas zu Beginn des folgenden Absatzes, Niketas Choniates, übers. Grabler, S. 49:
„Kaum hatte die Gnade Gottes diese große Gefahr abgewandt, von der das Rhomäerreich das
härteste Schicksal erwartet hatte [...]."

561 Dies wird besonders deutlich, wenn man zum Vergleich die Schilderung von Sterben und Tod
Friedrichs I. durch Niketas heranzieht, siehe S. 375 Anm. 2204.

562 Zu Otto IV. stellt Hücker, Kaiser Otto IV. die einzige moderne Biographie dar. Es kann dabei auf
Winkelmann, Philipp von Schwaben/Otto IV, Bd. 2 zurückgegriffen werden.

563 Zu den Wahlen Ottos IV. siehe Erkens, Kurfürsten, Nr. 2b, S. 101-103/Nr. 2d, S. 104/Nr. 2e,
S. 104 f.

564 Hücker, Kaiser Otto IV, S. 115-125.

565 Der Thronstreit ist ein stark bearbeitetes Forschungsfeld. Als aktuelle Überblicke Zotz, Werra
magna; Krieb, Vermitteln sowie Mamsch, Kommunikation zum Verhalten von Fürsten und
Königen; zur englischen Beteiligung Stiehl, Rolle.
 
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