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Kamenzin, Manuel; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0111

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6. Tod ohne Gewalteinwirkung

einer Diskussion fassen.554 Der Grund hierfür muss im Informationsfluss über
die Alpen und der Politik Konstanzes als Königin von Sizilien gesehen werden.
Die Entwicklungen, die der Tod Heinrichs VI. sowohl im Reich als auch im
Königreich Sizilien auslöste, überschatten somit den Blick auf Sterben und Tod
des staufischen Kaisers.
Wie sehr es sich hierbei um die Auswirkungen von Diskursen im Reich
südlich und nördlich der Alpen handelt, wird klar, wenn der Fokus erweitert
wird. Der byzantinische Chronist Niketas Choniates stellte den Tod Hein-
richs VI. beispielsweise in gänzlich andere Zusammenhänge: Er schilderte zu-
nächst eine Gesandtschaft des Staufers an den byzantinischen Kaiserhof, die
massive Tributzahlungen von Kaiser Alexios III. forderten.555 Diese Forderungen
hätten den Kaiser dermaßen in Geldnot gebracht, dass er sogar Gräber habe
plündern lassen - ein schändliches Vorgehen, wie Niketas durch den Verweis
anzeigte, die beiden damit betrauten Männer des Kaisers seien kurze Zeit drauf
zur Strafe für die Grabschändung jeweils an Fieberglut und Wassersucht ge-
storben.556 Mit einem Ausdruck des Lobs an Gott leitete Niketas nun zum Tod
Heinrichs VI. über, der glücklicherweise gestorben sei, bevor Alexios III. das
Geld übersendet habe. Über den Tod des Staufers seien laut Niketas allerdings
nicht nur die Byzantiner erfreut gewesen, auch weitere westliche Völker, vor
allem die Einwohner Siziliens.557 Der Chronist bietet keine konkrete Todesursa-
che, sondern schilderte den Kaiser mehr unermüdlich und vom Ehrgeiz getrie-
ben, ein Kaiser wie Augustus oder Antonius zu sein. Überdies habe er seine
Ernährung vernachlässigt, was zwar nicht explizit als Todesursache genannt,
allerdings stark nahegelegt wird.558 Hier treten nun ganz andere bestimmende
Faktoren zu Tage als in der Überlieferung aus dem Reich: Nicht Verschwörung,
Giftmord oder die Frage der Nachfolge,559 sondern die Wahrnehmung der

554 Diese Unterschiede sind Gemeinsamkeiten mit der Überlieferung zum Tod Heinrichs VIT, siehe
Kapitel 6.11.

555 Nicetae Choniatae historia, S. 478 f. Zu dieser Gesandtschaft und der Einforderung des ,Ala-
manikon' siehe Pokorny, Kreuzzugsprojekt; Kölzer, Byzanz; Keupp, Dienst, S. 198 f.; Naumann,
Kreuzzug, S. 95-105.

556 Nicetae Choniatae historia, S. 479.

557 Ebd.

558 Ebd., S. 479 f. Niketas Choniates, übers. Grabler, S. 47: „Denn er [Heinrich VI.] gönnte sich keine
Ruhe und grübelte unablässig darüber nach, wie er sich zum einzigen Herrscher aufschwingen
und alle Reiche ringsum unterwerfen könnte. Ein Kaiser wie Antonius oder August zu werden,
schwebte seinem inneren Auge als Wunschbild vor [...]. Sein Gesicht war bleich und ver-
schlossen-nachdenklich; er nahm erst spät am Tag Nahrung zu sich. Wenn ihn jemand daran
erinnerte, dass bei solcher Ernährungsweise Schwäche und Krankheit des Körpers zu befürchten
sei, sagte er, einem Manne, den keine Verantwortung drückt, stehe jede Stunde für das Essen,
besonders für die übliche Hauptmahlzeit, zur Verfügung, ein Herrscher aber, der seinen Namen
zu Recht führen will und sich um vieles kümmert, müsse froh sein, wenn er sich am späten
Abend der Pflege seines Körpers widmen könne." Csendes, Urteil, S. 88 sieht hierin eine Be-
schreibung der asketischen Lebensweise des Kaisers.

559 Die Verschwörung in Sizilien - und auch die Strafen Heinrichs - waren Niketas bekannt, er
schilderte sie im Anschluss an den Tod des Staufers als Zeichen seiner Grausamkeit, Nicetae
 
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