Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0402

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10.2. Ambivalenzen: Krankheiten, Giftmord und der Tod durch Gewalteinwirkung

401

heilen des Untersuchungszeitraums konnten durch das angewandte Vorgehen
somit auch neue Erkenntnisse zur Quellengrundlage herausgearbeitet werden.
10.2. Ambivalenzen: Krankheiten, Giftmord und der Tod durch
Gewalteinwirkung
Auf Basis der im Vorfeld erhobenen Anzeichenliste wurden während der Un-
tersuchung spezifische Wechselwirkungen zwischen bestimmten Anzeichen
oder narrativen Strategien gefunden. Es handelt sich dabei um die enge Ver-
flechtung von Krankheiten und Giftmord sowie den Eigenschaften eines Todes
durch Gewalt- beziehungsweise Fremdeinwirkung.
Die scheinbare Austauschbarkeit von Krankheit und Giftmord bei zeitge-
nössischen Chronisten als Todesursache kann bei Heinrich VI. noch mit Ver-
wechslung und dem schwierigen Informationsfluss über die Alpen erklärt
werden. Der Tod Konrads IV. zeigte jedoch deutlich auf, dass Krankheit und
Giftmord als Erklärung derselben Anzeichen, wie (langes) Siechtum oder dem
unerwarteten Todeszeitpunkt, herangezogen werden konnten. Der Giftmord bot
allerdings die Möglichkeiten, die moralische Deutung des Todes auf Andere zu
übertragen. In den Quellen zum Tod Heinrichs VII. lässt sich der stärkste und
wirkmächtigste Vorwurf ausmachen, für den Tod eines Herrschers verantwort-
lich zu sein. Alle späteren Überlieferungen zeigen sich von den Nachwirkungen
dieser Anklage beeinflusst.2303
Die Haupteigenschaft des Todes durch Fremdeinwirkung ist damit bereits
angesprochen, da sie auch Teil dieser Giftmordvorwürfe war: Die Verschiebung
des moralischen Fokus' vom Verstorbenen auf Andere. Die deutlichsten Aus-
gestaltungen davon liegen beim Mord an Philipp II. und dem Schlachtentod
König Adolfs vor. Hier wurden nahezu ausschließlich Otto von Wittelsbach und
Albrecht I. als vermeintlich Verantwortliche abgeurteilt, während den Verstor-
benen wenig Aufmerksamkeit zukam. Der Vorwurf an Albrecht L, am Tod seines
Vorgängers Schuld zu sein, muss nach den Giftmordvorwürfen beim Tod
Heinrichs VII. als zweitgrößte Anklage in dieser Untersuchung betrachtet wer-
den. Neben den folgenden Streitigkeiten zwischen Albrechts Sohn und dem
Wittelsbacher Ludwig um die Königskrone hat diese Unterstellung dafür ge-
sorgt, dass Albrecht I. von seinen Zeitgenossen, obwohl er selbst ermordet
wurde, nicht ausschließlich positiv beurteilt wurde. Die Besonderheit wird
durch den Abgleich deutlich: Philipp II. wurde als Mordopfer nahezu aus-
schließlich positiv beurteilt. Hier stand Otto von Wittelsbach allein im Fokus der
moralischen Deutung.
Die Überlieferung zum Tod König Wilhelms demonstriert hingegen, dass
sich der moralische Fokus nicht zwingend auf diejenigen verschieben musste, die

2303 Dies konnte hier nur bis zum Tod Günthers von Schwarzburg verfolgt werden. Bei den Toden
Albrechts II. und Maximilians I. kamen wiederum Giftmordgerüchte auf, RI XII Nr. 1178a.
Wiesflecker, Maximilian, Bd. 5, S. 430.
 
Annotationen