Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kamenzin, Manuel; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0401

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
400

10. Zusammenschau: Historiographie als Quelle

Schilderungen oder Notizen verkennen. Es ist angemessener, von Häufungen
gewisser Formen zu sprechen.
Bei guten Toden zeigt sich eine auffallende wechselseitige Beziehung zwi-
schen zeitgenössischen Entstehungskontexten und narrativer Ausgestaltung: In
strittigen Situationen sind die Bezugnahmen auf den Transitus Mariae und damit
das Anführen besonders christlicher Anzeichen wie der Sterbesakramente oder
dem geistlichen Beistand ausgesprochen häufig. Der Tod Ottos IV. in Bedrängnis,
die guten Darstellungen vom Tod Friedrichs II. gegenüber den zahlreichen Va-
rianten seines schlechten Todes, die Ermordung des teils als Königsmörder
geltenden Albrechts I. oder der unerwartete Tod des exkommunizierten Lud-
wigs IV. - in diesen Kontexten wurden christliche Sterberiten durch die Chro-
nisten angeführt. Hierbei handelt es sich nicht um das Durchschimmern einer
rituellen Norm, sondern um narrative Kompensationsstrategien in ange-
fochtenen Situationen. Am deutlichsten zeigt sich dies an der Narratio de morte:
Der einzigartige Text weist in der gesamten Untersuchung die größte Orientie-
rung am Transitus Mariae und damit auch an den christlichen Sterberitualen auf.
Das Schriftstück ist dabei allerdings auch in einer Situation beispielloser An-
fechtung entstanden. Die christlichen Sterberiten sind damit nicht nur in der hier
untersuchten historiographischen Überlieferung vergleichsweise selten er-
wähnt, die Nennungen lassen darüber hinaus auch keine Rückschlüsse auf tat-
sächlich erfolgte rituelle Handlungen zu.2300 Das Ende von Herrschaft tritt uns in
der Historiographie somit deutlich weniger rituell gefasst entgegen als andere
Stationen.
Eine Verschiebung kann hingegen bei der Verwendung von (Vor)Zeichen
festgestellt werden: In der Stauferzeit stellte die Schilderung von (Vor)Zeichen
eine der geläufigsten narrativen Strategien dar, um die Unterstellung eines ne-
gativ auslegbaren plötzlichen Todes zu entkräften.2301 Nach dieser Hochphase
verschob sich die Nutzung von (Vor)Zeichen mehr auf die Betonung besonderer
Aktivitäten.2302 Als Kompensationsstrategie traten nach dem Tod Heinrichs VII.
vermehrt Giftmordzuschreibungen an diese Stelle, da sie ebenfalls einen plötz-
lichen Tod erklären konnten. Neben den Einzelinterpretationen und Besonder-

2300 Die sporadische Erwähnung in den Quellen bestätigt sich bei einem Blick über den Untersu-
chungszeitraum hinaus: Zum in besonderen Ausmaß inszenierten Tod Kaiser Sigismunds sind
wieder Sterbesakramente erwähnt (Kerny, Begräbnis und Begräbnisstätte, S. 476). Auch in den
ausführlichen Überlieferungen zu den Toden Friedrichs III. (Zelfel, Tod, S. 76/94) und Maxi-
milians I. (Schmidt, Sterben, S. 198/200; Wiesflecker, Maximilian L, S. 381) wird dies angeführt.

2301 Diese Strategie zeigt sich in den Überlieferungen zu den Toden Friedrichs I. (siehe S. 379
Anm. 2225), Philipps II. (siehe S. 265 Anm. 1523; S. 273 Anm. 1579; S. 273 Anm. 1582), Heinrich
Raspes (siehe S. 125 Anm. 649), Friedrichs II. (siehe S. 140 Anm. 747 sowie Kapitel 6.6.3.) und
König Wilhelms (siehe 326 Anm. 1917). Dem stehen lediglich zwei Vorzeichen zum Mord an
Albrecht I. entgegen (siehe S. 287 Anm. 1683/S. 293 Anm. 1733).

2302 Wie beispielsweise bei den Aktivitäten Heinrichs VII. in Italien, siehe S. 198 Anm. 1143. - Zu den
Toden Friedrichs III. und Maximilians I. sind wiederum in beachtlichem Umfang Vorzeichen
überliefert, siehe zu Friedrich III. Zelfel, Tod, S. 78-80 sowie Lipburger, De prodigiis. Zu Ma-
ximilian L: Wiesflecker, Maximilian, Bd. 5, S. 421/423.
 
Annotationen