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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0400

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10.1. Die Anzeichen guter und schlechter Tode in der untersuchten Überlieferung

399

Neben diesen regionalen Unterschieden ist die wichtigste hier angestellte
Beobachtung zum Verständnis von Königtum die Feststellung, wie schwer der
Vorwurf wog, für den Tod eines Herrschers verantwortlich zu sein - und welche
Handlungen durch diesen Verdacht legitim erschienen. Bonifaz VIII. nutzte
diesen Vorwand, um Albrecht I. die Kaiserkrönung zu versagen und die Do-
minikaner erfuhren wohl Verfolgungen aufgrund des ihnen zugeschriebenen
Giftmords an Heinrich VII. Dass dieser Vorwurf bekannt und gefürchtet war,
zeigt sich in den vorauseilenden Schutzmaßnahmen, die sowohl Albrecht als
auch sein Vorgänger Friedrich II. in einer ähnlichen Situation trafen: Sie schrie-
ben Briefe, um den drohenden Vorwurf abzuwenden. Todesarten, die diesen
Vorwurf beinhalteten, wie (Gift-)Morde oder Tode im Rahmen militärischer
Feldzüge, weisen auch gerade deshalb eine größere und detailreichere Über-
lieferung auf, da sich die Zeitgenossen mit großem Interesse den Tätern, ihren
Motiven und späteren Schicksalen widmeten. In den einzelnen Ausgestaltungen
der Tode durch Fremdeinwirkung manifestiert sich auch das starke Interesse der
Zeitgenossen an der Überwindung der Wachen beziehungsweise der Garde des
Königs, das aufzeigt, dass der Herrscher in der Vorstellung beschützt gedacht
wurde. Ein solcher Tod warf verstärkt die Frage auf, wie es zu einem solchen
Ereignis kommen konnte. Die Überlieferung zum Tod König Wilhelms zeigt,
dass der Vorwurf sich sogar zeitweise vollkommen auf die Männer des Königs
übertragen konnte.
10. Zusammenschau: Historiographie als Quelle
10.1. Die Anzeichen guter und schlechter Tode in der untersuchten
Überlieferung
In einer Voruntersuchung wurden Anzeichen guter und schlechter Tode sowie
narrative Strategien aus der historiographischen Überlieferung zu Herrscher-
toden des 9. bis 12. Jahrhunderts erhoben. Die Ergebnisse wurden mit Erkennt-
nissen aus der Forschung kombiniert und zu einer, Anzeichenliste' zusammen-
getragen. Diese Liste fungierte als Leitfaden für die Hauptuntersuchung. Die
wichtigsten direkt aus der Anzeichenliste hervorgehenden Ergebnisse sind die
im vorangegangenen chronologischen Durchgang vorgestellten Interpretatio-
nen der einzelnen Herrschertode. Diese Neubewertungen konnten nur aufgrund
der in der Voruntersuchung gefundenen Anzeichen und narrativen Strategien
vorgenommen werden. Auch die Besonderheiten und Entwicklungen im Un-
tersuchungszeitraum konnten nur aufgrund dieser Sensibilisierung erkannt
werden.
Da die Verwendung narrativer Strategien stark auf den einzelnen Chronisten
und den von ihm geschilderten Einzelfall abhebt, können nur mit Vorsicht
Entwicklungen oder Konjunkturen ausgemacht werden. Eine Bilanzierung der
zu verschiedenen Zeiten von unterschiedlichen Schreibern verwendeten narra-
tiven Strategien und Anzeichen würde den einzigartigen Charakter einzelner
 
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