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Kamenzin, Manuel; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0040

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4.2. Die letzten Stunden als Abrechnung in der mittelalterlichen Überlieferung

39

Mit den Exitus illustrium virorum gab es neben den historiographischen
Werken wohl auch eine ganze spätantike Literaturgattung, die die Tode be-
deutender Männer in den Mittelpunkt stellte.133 Es ist kein Zeugnis erhalten,
doch aus Erwähnungen sind solche Schriften nachweisbar.134 Weiter wird ver-
mutet, dass es zum Tod eines bedeutenden Mannes zunächst einen Privatbericht
gab, der fall weise auch öffentlich kursierte. Diese Schilderungen wurden
schließlich auch in Büchern gesammelt.135 Traditionen und Konnotationen
können aufgrund der Uberlieferungslage nur schwer eingeordnet werden, al-
lerdings wird eine zentrale Stellung der Schilderung vom Tod des Sokrates in
Platons Phaidon vermutet.136 Daraus wird abgeleitet, dass innerhalb der Gattung
die Art des Todes als Bestätigung der zu Lebzeiten vertretenen Auffassung ge-
schildert wurde.137 Ohne erhaltene Zeugnisse sind weitere Aussagen hierüber
nicht zu treffen. Beide Traditionslinien - das Christentum und die spätantike
Historiographie - kannten somit wertende Todesarten, die mit der Lebensfüh-
rung in Zusammenhang gesehen wurden. Mit den Viten und den Exitus illustrum
virorum entstanden zudem Gattungen, die sich in literarischen Ausgestaltungen
mit den Todesarten herausragender Personen und deren Bedeutung befassten.
4.2. Die letzten Stunden als Abrechnung in der mittelalterlichen
Überlieferung
„Das gute Leben zieht das gute Ende nach sich."
„Ein schlechtes Leben verdient immer, mit einem schlechten Tod
beschlossen zu werden."138
Diese mittelalterlichen Sprichwörter bauen auf den im Vorfeld erläuterten Vor-
stellungen aus der spätantiken Historiographie und dem Christentum auf. Sie
drücken zum einen aus, dass Lebensführung und Todesart miteinander korre-
spondieren und unterteilen zum andern in gut und schlecht.139 In den Sprich-

133 Meist wird auf Ronconi, Art. „Exitus illustrium virorum" verwiesen. Wichtige, neuere Ein-
sichten bieten Berschin, Biographie, Bd. 5, S. 26 f.; ders.. Formen, S. 69; Marx, Tacitus; Pausch,
Biographie, S. 88-113.

134 Berschin, Biographie, Bd. 5, S. 26.

135 Marx, Tacitus, S. 84.

136 Berschin, Biographie, Bd. 5, S. 26; ders., Formen, S. 69.

137 Pausch, Biographie, S. 111.

138 Thesaurus proverbiorum medii aevi, hg. Kuratorium Singer, Bd. 7, Nr. 258/283-285, S. 314 f. mit
zahlreichen weiteren Beispielen.

139 Diese Vorstellungen stellen dabei weder zeitlich noch geographisch eine Besonderheit dar, siehe
zum Vergleich Sell, Tod (Indonesien); Rowlands, Death (Westafrika); Bremmer, Concept, S. 84
(zum antiken Griechenland mit weiterer Vergleichsliteratur); Grau, Kill (antikes Griechenland)
sowie vergleichend Walter, Variations. Ergänzend muss festgehalten werden, dass der griechi-
sche Begriff ,Euthanatos', auf den die Bezeichnung Euthanasie zurückgeht, wörtlich mit „der
gute Tod" übersetzt wird, siehe hierzu, Benzenhöfer, Tod. Ausgehend von Hasenfratz, Leben-
den, S. 102 Anm. 18 vertritt Hans-Peter Hasenfratz in mehreren Publikationen die These, in
„archaischen Gesellschaften" gebe es stets mindestens zwei Gattungen von Toten: Die mit der
 
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