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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.4238#0083
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— 79 —

Porträt in Heliogravüre. Diese Ausstellung ist seit wenigen
Jahren die dritte, die in Frankreich diesem bedeutenden
Künstler gewidmet wird. Die erste fand 1898 bei Bing
statt, die zweite 1900 im Luxenbourg. Alphonse Legros
ist bekanntlich in Frankreich geboren, lebt aber seit 1863
in London und ist ein naturalisierter Engländer.

Eine Ausstellung von Arbeiten Louis Mettlings
wird angekündigt. Dieser Künstler, der aus Burgund
stammt, ist gegenwärtig irrsinnig. Seine Zeichnungen
werden von den Liebhabern fast ebenso gesucht wie
die Adolphe Herviers. Besonders in England werden
seine Werke sehr geschätzt. Er behandelt meist ernste
und traurige Stoffe, Bilder des menschlichen Elends,
Bettler u. dgl., und das behagt nicht sonderlich dem
Geschmack des französischen Publikums.

Im Petit Palais sind jetzt die prächtigen Stiche
Robert Nanteuils den Blättern Callots, Dürers und
Rembrandts gefolgt. Sie stammen gleich den soeben
genannten aus der unschätzbaren Dutuitschen Sammlung,
die so reich ist an seltenen und tadellos erhaltenen
Stücken. C.-J.

Der Maler Paul Soyer, dessen Nachlaß jetzt aus-
gestellt ist, hat nie den großen Ruhm kennen gelernt,
trotz unleugbarer Begabung. Er hatte als Holzschneider
angefangen und viele seiner Holzschnitte, die er um 1840
ausführte, sind von den Künstlern bezeichnet, in deren
Atelier er arbeitete, so daß es nicht leicht ist zu bestimmen,
was von seiner Hand geschnitten worden ist. Es gibt auch
ein radiertes Blatt Soyers: »Le fauteuil de la grand' mere«,
worin er von Desboutin beeinflußt erscheint und das
die Reproduktion seines Ölgemäldes im Salon vom
Jahre 1880 ist.

Die vierte Ausstellung der Societe des Peintres-
Lithographes bei Durand-Ruel gibt kein sehr erfreu-
liches Bild, ganz abgesehen von der geringen Zahl der aus-
gestellten Arbeiten. Aber man braucht deshalb noch nicht
an der Lebensfähigkeit der Lithographie zu verzweifeln.
Der Fortschritt in einer Kunst geht wohl nie von Künstler-
vereinigungen aus, sondern von den einzelnen Künstlern.
— Vor allem sündigt diese Ausstellung dadurch, daß zu
viel Altes zu sehen ist. Cheret, Leandre, Jean Veber,
Alphonse Legros, Riviere, C ottet, Carriere haben
Blätter eingesandt, die zum Teil sogar fünfzehn oder
zwanzig Jahre alt sind. So die Bildnisse Tennysons,
Huxleys, Cardinal Mannings von Legros, so die Rötel-
skizzen Cherets, die einst im Artiste oder in den Maitres
du dessin erschienen sind. Freilich sind diese zwei
Künstler schon seit langem auf dem Gipfel ihrer Kunst
angelangt und deshalb unterscheiden sich auch ihre
neueren Arbeiten kaum merklich von den älteren. Aber

nicht zu billigen ist es, daß von Riviere nichts da ist
außer einigen Blättern aus der schon vor Jahresfrist im
Buchhandel erschienenen Folge der »36 vues de la Tour
Eiffel«, und daß Leandre seine »Frau mit dem Affen«
oder seine »Yvette Guilbert en tournee« wieder einmal
hervorgeholt hat. Für bedeutender als Leandre halte ich
Abel Faivre. Auch er schwankt zwischen Komik und
Grazie. Aber seine Komik geht hervor aus unmittelbarer,
wenn auch etwas eng begrenzter Beobachtung, und
seine Grazie kann unsagbar verführerisch sein. Das
ausgestellte Blatt: »La Sylphe« ist ein Wunder an Gefühl,
Reiz und zarter Ausführung. — Eine zweite betrübende
Wahrnehmung ist, daß das eigentliche lithographische
Handwerk immer mehr für nebensächlich gehalten wird.
Es scheint fast, als hätte Bracquemond Schule gemacht
und als betrachteten die modernen Lithographen den Stein
oder das Umdruckpapier wirklich nur als das Blatt eines
Skizzenbuches, auf dem sie zeichnend improvisieren.
Wenn ein Fantin-Latour oder Legros so verfahren, gut!
Die kennen das Handwerk aus dem Grunde und darum
ist ein solches Verfahren bei ihnen die gewollte Beschrän-
kung der Meister. Bei der Schar ihrer Nachahmer aber
ist es einfach Unvermögen. Die Blätter von Chalon,
Cottet, Zacharie, Belleroche mögen sonst noch so
viele künstlerische Vorzüge haben, gute Lithographien
sind sie nicht. Auf der anderen Seite ist wieder zuviel
des Handwerkes in den Arbeiten von G. Redon, Bahuet,
Maurice Neumont, Alleaume, Dillon. Zum Glück
gibt es doch noch einige Künstler, die beides zugleich
sind: gute Zeichner und gute lithographische Prak-
tiker. Da sind zu nennen: Lunois, Frau Marthe
Abran, Grün, Carriere und wiederum Abel Faivre.—
Sehr beliebt ist die Farbe. Auch dabei sind zwei
grundverschiedene Richtungen nicht zu verkennen. Für
die einen ist die Farbe nur ein nachträgliches Mittel, um
die Wirkung der Blätter zu erhöhen, für die anderen ist
sie von Haus aus ein wesentlicher Bestandteil des
Blattes. Wir hüten uns in dieser schwierigen Streitfrage
ein Urteil zu fällen, um so mehr, als in beiden Arten vor-
zügliche Erfolge erzielt werden. Und in der Kunst ent-
scheidet allein der Erfolg. — Neben der Vereinigung der
Maler-Lithographen, deren Ausstellung uns hierbeschäftigt
hat, gibt es auch eine solche der reproduzierenden Litho-
graphen. Auch diese wird wohl bald mit einer Aus-
stellung vor die Öffentlichkeit treten. Es wäre gewiß am
besten, wenn die beiden sich vereinigten und mit ver-
einten Kräften den harten Kampf gegen ihre Konkurrenten,
vor allem gegen die Photographie, aufnähmen. Nur so
könnte die schwer erschütterte Position der Lithographie
noch mit Ehren behauptet werden. C.-J.
 
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