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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.4239#0036
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— 32 —

Die ebenfalls retrospektive Ausstellung von Arbeiten
Toulouse-Lautrecs hat uns zwar nichts Neues gelehrt,
aber uns in der Achtung bestärkt, die dieser originelle
und kühne Zeichner in vollstem Maße verdient. Nur neben-
bei seien die zahllosen Zeichnungen Piots erwähnt, der
die Japaner und den an sich schon ganz oberflächlichen
Gustave Moreau sklavisch nachahmt. Als Kuriosität ver-
dienen noch ein Wort die Zeichnungen »ä la flamme« von
Testard, die so aussehen wie Holzschnitte auf Lösch-
papier.

Schließlich hat auf diesem Herbstsalon zum ersten
Mal in einer Kunstausstellung die Photographie Auf-
nahme gefunden. Die Leistungen der Herrn Demachy,
Druet (nach Rodin), Martin, Menard, Warburg und
anderer rechtfertigen zur Genüge diese Gunst. C.-J.

Paris. Erste Jahresausstellung für farbige
Originalgraphik (bei Georges Petit). — Gerade jetzt,
da die schwarzweiße Graphik bei den Kunstfreunden
wieder beliebt zu werden anfängt, wird die erste Aus-
stellung für farbige Graphik eröffnet. Soll das etwa ihren
Schwanengesang bedeuten? Mit nichten. Man braucht
nicht zu fürchten, daß sie so bald wieder verschwinden
wird, wie zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts unter
dem Einflüsse der antikisierenden Schule. Die farbige
Graphik hat dasselbe Bürgerrecht wie die schwarzweiße
und manche Temperamente unter den Künstlern finden
sie ihrer Natur mehr angemessen. Sie lebe also und
recht lange, nur nicht so abgeschlossen wie in den letzten
Jahren.

Diese erste Ausstellung weist etwa ein halbes
Hundert Namen auf. Es fehlen freilich Lepere, Maurice
Denis, Delcourt, Besnard, Colin, Ranft, Henri
Riviere, Steinlen, Willette.....wie man sieht, statt-
liche Lücken.

Die Ausstellung umfaßt zumeist Radierungen.
Bejot zeigt seine kleinen, feinen Blätter; Bracquemond
ein Blatt, das einer getuschten Federzeichnung ähnelt.
Charpentier, Boutet de Monvel, Borrel, Balestrieri,
Eugene Delätre, Delpy, Detouche, East stellen jeder
in seiner Art ihr tüchtiges Können zur Schau. Von
Ey'Chenne, dem vor zwei Jahren Verstorbenen, sieht
man entzückende Arbeiten kleinen Formats; nicht minder
reizvoll sind die Werke von Fräulein Marie Gautier.
Godin ahmt bis zur Täuschung pastos gemalte Ölbilder
nach, sowie Osterlind Aquarelle. Fr. Jourdain und
Taquoy wirken vor allem dekorativ. Latouche,
Jeanniot, Raffaelli, Prouve sind tüchtige Zeichner und
als Radierer machen sie reichlichen Gebrauch vom Strich,
während Thaulow, Robbe, Lorrain, Luigini, Müller
den Ton bevorzugen. Jacques Vi Hon und Lafitte
begnügen sich damit, einen flüchtigen Eindruck halb
andeutend wiederzugeben, ohne ihre Arbeit weiter aus-
zuführen. Der Pferdemaler Pinchon erinnert in seinen
Kupfern an die englischen Holzschneider. Simon et
wieder scheint sich Ziem gut angesehen zu haben. Nicht

vergessen seien schließlich die geistvollen Blätter
Huards und die Legrands, dieses so eigenwilligen
Zeichners.

Solcher Art ist diese Ausstellung, die zwar keinen
Anspruch auf Vollständigkeit machen darf, aber doch
sehr interessant ist und es in noch höherem Grade sein
könnte. Sie lehrt uns auch, daß es keine feste Formel für
die farbige Graphik gibt und daß der Graphiker seiner
Platte mit derselben Freiheit gegenübersteht wie der
Maler seiner Leinwand. In der Kunst kommt es nicht auf
die Mittel an, sondern nur auf das erreichte Ziel. C.-J.

Paris. Ausstellung von Lithographien. — Die
zwei Künstlerbünde der Peintres-Lithographes und der
Artistes lithographes francais, die sich bisher nicht zum
besten vertrugen und deshalb zu verschiedenen Zeiten
und an verschiedenen Orten ausstellten, haben diesmal
ein gemeinsames Obdach aufgesucht, nur daß die einen
die linke, die anderen die rechte Wand einnehmen. Es ist
noch keine volle Versöhnung, aber es ist wenigstens der
Waffenstillstand. Mit Rücksicht auf den greisenhaften
Verfall der einst so blühenden lithographischen Kunst ist
herzlichst zu wünschen, daß ein solches Wirken mit
vereinten Kräften andauere.

Übrigens fehlt es nicht an tüchtigen Künstlern und
wenn auch nur wenige die gute alte Tradition der
Technik sich gewahrt haben, so greifen doch viele, wenn
sie etwas zu sagen haben, zum Stift und bedienen sich
des Steines statt des Papiers. So M. Morlot, die Radierer
Storm van 's Gravesande, dessen Stift die Kraft seiner
Nadel hat, und Chauvel, der auch in der lithographischen
Technik seine koloristischen Vorzüge zeigt, Leandre
mit seinem bekannten Blättern, der jung verstorbene zarte
Dulac, dann Bourgonnier, Cottet, Frau Abran, der
poesievolle Fantin-Latour, Sureda mit dramatisch
bewegten und Delfosse mit holzschnittartigen Arbeiten,
der feine Kolorist Maurice Eliot, Abel Truchet,
Lunois und Grün, der sich hier als der Hellen einer
zweideutigen Gesellschaft zeigt. Ch eret, Faivre, Legros,
Carriere sind mit älteren Arbeiten vertreten. Odilon
Redon fehlt ganz, desgleichen Willette. Die zwei Aus-
stellungen geben überhaupt vereint nur eine kleine.
Belleroche allein erscheint als der Lithograph, der in
sein Handwerk verliebt ist und darin aufgeht. Nicht
weniger als sechsundvierzig Blätter sind von ihm zu
sehen; dann kommen, der Zahl nach, Neumont mit
sechzehn, Jean Veber mit elf, Lunois mit zehn.
Leandre mit neun und Carriere mit vier Blättern.

Die Lithographie ist eine verlassene Kunst. Man
muß zufrieden sein, wenn ein paar gute Arbeiten ihr
Fortbestehen bezeugen. Und das ist ja der Fall. An dem
Tage, wo sie so billig sein wird wie die gewöhnlichsten
Reproduktionsarten, wird sie erst ihre frühere Ver-
breitung wieder erlangen. Aber dann fürchte ich, wird
sie auch aufgehört haben, unsere Teilnahme zu verdienen.

C.-J.
 
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