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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0027
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Elemente mit realer Naturwahrheit auf sehr glückliche
Weise zu verschmelzen weiß. Weniger individuell
erschienen uns seine Illustrationen zu einer Puschkin-
schen Erzählung. Schließlich ist in dieser Gruppe noch
N. Bilibin zu nennen, der sich für seine bis zum Extrem
dekorativen Illustrationen in Japan und bei diversen
Modernen Muster sucht; seine Serie altrussischer
Kostümbilder ahmte alte, kolorierte Holzschnitte virtuos
nach.
Abseits von diesen Künstlern steht der Bildnis-
maler B. Kustodieff. Ein fühlbarer Mangel an Tempera-
ment läßt in seinen Ölporträten, trotz bedeutenden
technischen Könnens, selten echt künstlerische Wirkung
aufkommen, jedoch war ein Herrenbildnis in Kohle und
Rötel von ihm recht gut, und jedenfalls sind seine
graphischen Arbeiten stets seinen Malereien vorzuziehen.
Noch andere Petersburger Zeichner mit mehr oder
weniger gelungenen Werken waren auf der erwähnten
graphischen Ausstellung vertreten, so der etwas eintönige
Gausch mit Landschaften, der talentvolle Kardowski,
H. Bobrowski etc. Last not least muß auch noch Ilja
Rjepin genannt werden, der auf der 34. Wanderaus-
stellung durch geschmacklosen, oft geradezu rohen

Farbenauftrag in seinen Gemälden brüskierte, aber in
einigen Zeichnungen seine alte Meisterschaft ungeschwächt
manifestierte. Ausgezeichnet war die mit Rötel rehaussierte
Porträtzeichnung des jungen Grafen L. Tolstoj, ebenso
die Studie einer Dame am Klavier.
Von Moskauer Künstlern hat Maljutin eine neue
Illustrationsserie in Aquarell ausgestellt, die, wie immer,
von großem Farbenreiz und echter Märchenstimmung
war, jedoch den Künstler nur auf gewohnten Bahnen
zeigte. Interessant war die lange Reihe origineller
architektonischer Skizzen von Noakowski. Mit wenigen
Pinselstrichen in Tusche und Aquarell rekonstruiert dieser
Künstler, von Beruf Architekt, das pittoreske alte Rußland
in seinen eigenartigen Bauformen. Zum Schluß möchten
wir noch die elegante Damenstudie in Pastell einer jungen
Malerin, Fräulein Goldinger, erwähnen, die mehr
malerischen als zeichnerischen Illustrationen Sredins
zur Gribojedowschen Komödie »Wehe dem Klugen«, die
mosaikartigen, etwas pretentiösen Gouachebildchen von
W. Millioti, die sich in Email für Dosendeckel gut
eignen würden, und dieFederzeichnungen Feofilaktows,
der mit wenig Geschmack und Können Beardsley imitiert
und paraphrasiert. P. Ettinger.

Vermischte Nachrichten.

s Johann Lindner. — Am 20. August 1906 ver-
starb zu München der bekannte Kupferstecher Johann
Lindner. Zu Alfeld bei Regensburg am 5. Juni 1839 ge-
boren, erhielt er zu Nürnberg bei Mayer und Appold seine
künstlerische Ausbildung, ging 1861 nach München und
war dort mit Ausnahme der Jahre 1862 bis 1864, die er
in der Schweiz verlebte, bis an sein Ende tätig. Er schuf
zahlreiche Porträte (Kaiser Wilhelm, Ludwig II. von
Bayern, Richard Wagner und andere), zum Teile nach
eigenen Zeichnungen, und die von unserer Gesellschaft
herausgegebenen Stiche nach den Bildern der Wiener
Galerie: Jo und Jupiter von Correggio, Judith von P. Ve-
ronese, Bildnis eines Bildhauers von Moroni und das
Selbstporträt des Rubens. D. R.
Nekrolog französischer Graphiker. — Eu-
gene Carriere, einer der größten französischen Künstler
der Gegenwart, ist am 27. März 1906 gestorben. Als Kind
eines aus dem französischen Flandern stammenden Vaters
und einer elsässischen Mutter zu Gournay im Departement
Seine et Marne am 17. Februar 1849 geboren, verbrachte
er seine Jugend zu Straßburg. Mit 19 Jahren entdeckte er
zu Saint Quentin, wo sich seine Familie niederließ, vor
den Pastellen La Tours im dortigen Museum seinen
künstlerischen Beruf. Im Jahre 1879 trat er zum ersten
Male im Salon vor die Ösfentlichkeit mit einem Bildnis
seiner Mutter, einer ernsten Arbeit, die bereits seine künf-
tigen Vorzüge erraten ließ. Mit eisernem Fleiß arbeitete
er an seiner Vervollkommnung. Das Familienleben am

eigenen häuslichen Herd bot ihm die ewig neuen Stosfe
für seine Bilder, so besonders für seine oft gemalten
»Maternites«. Im Jahre 1890 wurde er einer der Gründer
der Societe Nationale. In den folgenden Jahren erschienen
auf dem neuen Salon die Bildnisse Alphonse Daudets und
Verlaines, die »Maternite«, die jetzt im Luxembourg ist,
das »Theater von Belleville« (1895), der »Christus am
Kreuz« (1897), das dekorative Bild für die Sorbonne »Paris
von den Höhen Bellevilles aus gesehen« und viele andere.
Zu gleicher Zeit schuf er eine große Zahl von Litho-
graphien, in denen er dieselben Gegenstände behandelte
wie auf seinen Bildern: Familienszenen und Bildnisse
(Verlaine, Jean Dolent, Goncourt u. a.). Er hat auch eine
Dichtung Viktor Hugos illustriert, Ruth und Boas, er-
schienen bei Pelletan. — PaulChenay, Kupferstecher,
geboren zu Lagnieu (Ain) 1818, gestorben zu Paris im
Februar 1906. Er widmete sich besonders der genauen
Nachbildung von Zeichnungen durch den Kupferstich.
Eine Zeitlang arbeitete er für die Chalkographie des
Louvre, am bekanntesten aber ist er als der Stecher
Viktor Hugos, mit dem er (als Stief- oder Schwiegersohn?)
nahe verwandt war. —■ Auguste Deroy, Zeichner für
die Zeitschriften L'Illustration und Le Monde illustre,
gestorben im Februar 1906. — Alexis-Marie-Louis
Douillard, Maler, geboren zu Nantes am 28. Juni 1835,
gestorben bei Paris am 27. September 1905. Schüler von
H. Flandrin und Ch. Gleyre. Man kennt von ihm einige
Lithographien. — Charles-Henri Michel, geboren zu
Fins (Somme) am 15. Jänner 1817, gestorben im Jänner
 
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