holzschnitts. Aus dieser noch unvollkommenen, zum Teil noch auf Be-
malung berechneten Holzschnittechnik klärt sich der Holzschnittstil ab,
den wir in einer Reihe von vorzüglichen Werken aus den Jahren i486 bis
1490 in Venedig beobachten können. Der Aufmerksamkeit des Verfassers
ist es gelungen, den Namen des Verfertigers dieser Bilder zu entdecken.
Hieronimo de' Sancti, den wir als Drucker einer Anzahl von vene-
zianischen illustrierten Büchern dieser Jahre kennen, wird in der Vorrede
von Sacrobustos Sphaera mundi von 1488 (siehe pag. 247) ausdrücklich
als der Holzschneider der Darstellungen genannt. Diese Stelle ist von
allen — auch von dem Schreiber dieses — unbeachtet geblieben, und doch
hätte schon der Name des Druckers, den er offenbar seinem Gewerbe als
Stampatore di santi verdankt, diesen Gedanken nahe legen sollen. Außer
den Holzschnitten desSacrobusto von 1488(Nr. 260, Abbildung pag. 247f.)
und in Thomas' de Aquino Opusculum de Esse et Essentia von demselben
Jahre (Nr. 447, Abbildung pag. 398), die der Verfasser ihm zuschreibt,
geben sich meiner Meinung nach auch die ersten Bilder in Jac. Phil.
Forestis Supplementum Chronicarum von 1486 (Nr. 342, Abbildung
pag. 298, 300, 302), die Holzschnitte im Libro di Justo von 1487 (Nr. 356,
Abbildung pag. 321), in Cherubinos da Spoleto Fior di virtü, ebenfalls von
1487 (Nr. 387, Abbildung pag. 349) und in Eschuids Summa astrolog.
iudicialis von 1489 (Nr. 450, Abbildung pag. 400) als Arbeiten des
Hieronimo deutlich zu erkennen. Für seine Werke halte ich auch die
Titelbilder der Spiritualis vitae compend. regula des Cherubino da Spoleto
(Venedig o. J., s. Arch. stor. d. Arte, V. 1892, pag. 101) und der 1491 in
Brescia von Baptista Farfengo gedruckten Ausgabe des Fior di virtü (um
einen etwa 21 '„ cm breiten Streifen unten verkürzt auch in der Ausgabe von
1495, Brescia, B. Misinta, siehe nebenstehende Abbildung). Dagegen scheint
mir der Verfasser sich im Irrtum zu befinden, wenn er auch die Holz-
schnitte im Officium B. V. Mariae vom 26. April 1494 (Nr. 457, Abbildung
pag. 409 bis 412) für Arbeiten des Hieronimo ansieht. Sie zeigen vielmehr
durchaus anderen Charakter und gehören zu der zahlreichen Gruppe der
feinsten Arbeiten aus der Werkstätte des Meisters, der viele Holzschnitte
mit einem N bezeichnet hat.
Als für den vorliegenden Gegenstand nicht ganz unerheblich mag
noch eine Bemerkung über eines der seltensten und interessantesten der
späteren illustrierten Venezianer Bücher hier Platz finden. Die bekannte
Ausgabe der Epistole et evangelii volgari hystoriade (Nr. 195), die be-
sonders durch den schönen Holzschnitt Marcantons (siehe Jahrbuch der
königlich preußischen Kunstsammlungen I (1880), pag. 270) bemerkens-
wert ist, soll der Schlußschrift zufolge von Juane Antonio e fradeli da
Sabio ad instantia de Nicolo & Domenego del Jesus fradeli im Juni 1512
gedruckt worden sein. Dies Datum muß nun merkwürdigerweise einen
Druckfehler enthalten, da das Buch nicht vor 1518 herausgegeben worden
sein kann. Druckfehler dieser Art gehören ja, wie bekannt, nicht zu den
allergrößten Seltenheiten. Im Werk des Prince d'Essling ist auf pag. 180
ein Holzschnitt aus den Epistole et evangelii abgebildet, auf dem die
Figur des von Christus geheilten Besessenen nach der Gestalt des Ananias
in Raffaels Teppichkarton, der erst um 1515 ausgeführt worden ist, fast
genau kopiert ist. Der Holzschneider wird natürlich die Gestalt nicht dem
Karton Raffaels oder dem Teppich entlehnt haben, sondern dem Kupfer-
stich Agostino Venezianos (B. 42). Das ist um so wahrscheinlicher als
auch der Evangelist Lucas desselben Buches (Abbildung pag. 182) und
wohl ebenso der heilige Matthäus, nach Agostinos Stichen (B. 92 und 95)
kopiert sind. Diese Blätter sind nun aber 1518 datiert und können auch
kaum früher entstanden sein. Das venezianische Buch muß also not-
wendigerweise nach 1518 gedruckt sein und nicht 1512, wie die
Schlußschrift angibt. Vermutlich ist in der Jahreszahl eine Ziffer, wahr-
scheinlich eine X ausgefallen. Giovanni Antonio da Sabio scheint auch,
wenigstens in Genossenschaft mit seinen Brüdern, nicht vor 1521 tätig
gewesen zu sein. Ein Teil der Holzschnitte des Buches findet sich auch
in Voragines Legendario von 1518; eine Vergleichung der Abdrücke in
den beiden Büchern, die mir jetzt nicht möglich ist, wird wohl ebenfalls
zu dem Ergebnis führen, daß die angeblich 1512 gedruckte Ausgabe der
Epistole et Evangelii später sein müsse als das Legendario von 1518.
Diese beiden Werke gewinnen noch ein besonderes Interesse dadurch,
daß die ihnen beiden gemeinsamen Rundbilder späteren Stils mit Szenen
aus dem Leben der Heiligen, die wahrscheinlich für die Ausgabe des
Titelbild des Buches »Fior di virtü«, Brescia, B. Misinta, 1495.
Legendario von 1518 angefertigt worden sind, offenbar, wie ihr Stil zeigt,
von einem Künstler der bolognesischen Schule herrühren, der dem Meister
J. B. mit dem Vogel, der ebenfalls Bolognese gewesen sein muß, sehr
nahe steht. Die Holzschnitte des Legendario sind nur in der Qualität
wesentlich geringer als die nach den Zeichnungen des Meisters J. B.
ausgeführten. Ein Holzschnitt des J. B., die Kreuzigung, findet sich
mehrfach in venezianischen Drucken kopiert. So erklärt sich auch leicht,
warum in den Epistole et Evangelii ein Holzschnitt des Bolognesen
Marcantonio Raimondi Verwendung gefunden hat. Marcantons Holz-
schnitt ist aber ohne Zweifel wesentlich früher entstanden; sein Stil weist
unverkennbar auf die Bologneser Zeit des Meisters, auf die Jahre 1506 bis
1508 hin. Es ist nun nicht unmöglich, daß der Holzschnitt ein Versuch des
Stechers in dieser Technik sei, wahrscheinlicher aber ist es, daß wir in
ihm nur einen genauen Nachschnitt nach einem — verlorenen — Kupfer-
stich Marcantons oder nach einer Zeichnung seiner Hand, die für die Aus-
führung in Kupferstich bestimmt war, besitzen. Paul Kristeller.
Gustav Schiefler, Das graphische Werk von
Max Liebermann. Berlin, Bruno Cassirer 1907.
Die zukünftigen Geschichtsschreiber der Kunst unserer Zeit werden
es nicht leicht haben: sie werden an einer Überfülle von gedruckten
Nachrichten über die einzelnen Künstler leiden, aus der sie sich schwer
werden herausfinden können, und schließlich dahin kommen, die Forscher,
die sich mit älteren Zeiten beschäftigen, um ihren Mangel an biographischen
und sonstigen Nachrichten zu beneiden. Was wird heute nicht alles über
einen Künstler schon zur Zeit seines Lebens geschrieben! Wer wird
sich je einmal durch alle diese Bücher, Broschüren und Zeitungs-und
Zeitschriftenaufsätze durchwinden können! Dabei enthalten die wenigsten
von diesen Schriften wirklich sachliche Angaben, die in Zukunft einmal
nützlich sein könnten. Ohne Zweifel das Wertvollste, was zur Lebens-
zeit eines Künstlers über ihn und sein Werk geschrieben werden kann,
malung berechneten Holzschnittechnik klärt sich der Holzschnittstil ab,
den wir in einer Reihe von vorzüglichen Werken aus den Jahren i486 bis
1490 in Venedig beobachten können. Der Aufmerksamkeit des Verfassers
ist es gelungen, den Namen des Verfertigers dieser Bilder zu entdecken.
Hieronimo de' Sancti, den wir als Drucker einer Anzahl von vene-
zianischen illustrierten Büchern dieser Jahre kennen, wird in der Vorrede
von Sacrobustos Sphaera mundi von 1488 (siehe pag. 247) ausdrücklich
als der Holzschneider der Darstellungen genannt. Diese Stelle ist von
allen — auch von dem Schreiber dieses — unbeachtet geblieben, und doch
hätte schon der Name des Druckers, den er offenbar seinem Gewerbe als
Stampatore di santi verdankt, diesen Gedanken nahe legen sollen. Außer
den Holzschnitten desSacrobusto von 1488(Nr. 260, Abbildung pag. 247f.)
und in Thomas' de Aquino Opusculum de Esse et Essentia von demselben
Jahre (Nr. 447, Abbildung pag. 398), die der Verfasser ihm zuschreibt,
geben sich meiner Meinung nach auch die ersten Bilder in Jac. Phil.
Forestis Supplementum Chronicarum von 1486 (Nr. 342, Abbildung
pag. 298, 300, 302), die Holzschnitte im Libro di Justo von 1487 (Nr. 356,
Abbildung pag. 321), in Cherubinos da Spoleto Fior di virtü, ebenfalls von
1487 (Nr. 387, Abbildung pag. 349) und in Eschuids Summa astrolog.
iudicialis von 1489 (Nr. 450, Abbildung pag. 400) als Arbeiten des
Hieronimo deutlich zu erkennen. Für seine Werke halte ich auch die
Titelbilder der Spiritualis vitae compend. regula des Cherubino da Spoleto
(Venedig o. J., s. Arch. stor. d. Arte, V. 1892, pag. 101) und der 1491 in
Brescia von Baptista Farfengo gedruckten Ausgabe des Fior di virtü (um
einen etwa 21 '„ cm breiten Streifen unten verkürzt auch in der Ausgabe von
1495, Brescia, B. Misinta, siehe nebenstehende Abbildung). Dagegen scheint
mir der Verfasser sich im Irrtum zu befinden, wenn er auch die Holz-
schnitte im Officium B. V. Mariae vom 26. April 1494 (Nr. 457, Abbildung
pag. 409 bis 412) für Arbeiten des Hieronimo ansieht. Sie zeigen vielmehr
durchaus anderen Charakter und gehören zu der zahlreichen Gruppe der
feinsten Arbeiten aus der Werkstätte des Meisters, der viele Holzschnitte
mit einem N bezeichnet hat.
Als für den vorliegenden Gegenstand nicht ganz unerheblich mag
noch eine Bemerkung über eines der seltensten und interessantesten der
späteren illustrierten Venezianer Bücher hier Platz finden. Die bekannte
Ausgabe der Epistole et evangelii volgari hystoriade (Nr. 195), die be-
sonders durch den schönen Holzschnitt Marcantons (siehe Jahrbuch der
königlich preußischen Kunstsammlungen I (1880), pag. 270) bemerkens-
wert ist, soll der Schlußschrift zufolge von Juane Antonio e fradeli da
Sabio ad instantia de Nicolo & Domenego del Jesus fradeli im Juni 1512
gedruckt worden sein. Dies Datum muß nun merkwürdigerweise einen
Druckfehler enthalten, da das Buch nicht vor 1518 herausgegeben worden
sein kann. Druckfehler dieser Art gehören ja, wie bekannt, nicht zu den
allergrößten Seltenheiten. Im Werk des Prince d'Essling ist auf pag. 180
ein Holzschnitt aus den Epistole et evangelii abgebildet, auf dem die
Figur des von Christus geheilten Besessenen nach der Gestalt des Ananias
in Raffaels Teppichkarton, der erst um 1515 ausgeführt worden ist, fast
genau kopiert ist. Der Holzschneider wird natürlich die Gestalt nicht dem
Karton Raffaels oder dem Teppich entlehnt haben, sondern dem Kupfer-
stich Agostino Venezianos (B. 42). Das ist um so wahrscheinlicher als
auch der Evangelist Lucas desselben Buches (Abbildung pag. 182) und
wohl ebenso der heilige Matthäus, nach Agostinos Stichen (B. 92 und 95)
kopiert sind. Diese Blätter sind nun aber 1518 datiert und können auch
kaum früher entstanden sein. Das venezianische Buch muß also not-
wendigerweise nach 1518 gedruckt sein und nicht 1512, wie die
Schlußschrift angibt. Vermutlich ist in der Jahreszahl eine Ziffer, wahr-
scheinlich eine X ausgefallen. Giovanni Antonio da Sabio scheint auch,
wenigstens in Genossenschaft mit seinen Brüdern, nicht vor 1521 tätig
gewesen zu sein. Ein Teil der Holzschnitte des Buches findet sich auch
in Voragines Legendario von 1518; eine Vergleichung der Abdrücke in
den beiden Büchern, die mir jetzt nicht möglich ist, wird wohl ebenfalls
zu dem Ergebnis führen, daß die angeblich 1512 gedruckte Ausgabe der
Epistole et Evangelii später sein müsse als das Legendario von 1518.
Diese beiden Werke gewinnen noch ein besonderes Interesse dadurch,
daß die ihnen beiden gemeinsamen Rundbilder späteren Stils mit Szenen
aus dem Leben der Heiligen, die wahrscheinlich für die Ausgabe des
Titelbild des Buches »Fior di virtü«, Brescia, B. Misinta, 1495.
Legendario von 1518 angefertigt worden sind, offenbar, wie ihr Stil zeigt,
von einem Künstler der bolognesischen Schule herrühren, der dem Meister
J. B. mit dem Vogel, der ebenfalls Bolognese gewesen sein muß, sehr
nahe steht. Die Holzschnitte des Legendario sind nur in der Qualität
wesentlich geringer als die nach den Zeichnungen des Meisters J. B.
ausgeführten. Ein Holzschnitt des J. B., die Kreuzigung, findet sich
mehrfach in venezianischen Drucken kopiert. So erklärt sich auch leicht,
warum in den Epistole et Evangelii ein Holzschnitt des Bolognesen
Marcantonio Raimondi Verwendung gefunden hat. Marcantons Holz-
schnitt ist aber ohne Zweifel wesentlich früher entstanden; sein Stil weist
unverkennbar auf die Bologneser Zeit des Meisters, auf die Jahre 1506 bis
1508 hin. Es ist nun nicht unmöglich, daß der Holzschnitt ein Versuch des
Stechers in dieser Technik sei, wahrscheinlicher aber ist es, daß wir in
ihm nur einen genauen Nachschnitt nach einem — verlorenen — Kupfer-
stich Marcantons oder nach einer Zeichnung seiner Hand, die für die Aus-
führung in Kupferstich bestimmt war, besitzen. Paul Kristeller.
Gustav Schiefler, Das graphische Werk von
Max Liebermann. Berlin, Bruno Cassirer 1907.
Die zukünftigen Geschichtsschreiber der Kunst unserer Zeit werden
es nicht leicht haben: sie werden an einer Überfülle von gedruckten
Nachrichten über die einzelnen Künstler leiden, aus der sie sich schwer
werden herausfinden können, und schließlich dahin kommen, die Forscher,
die sich mit älteren Zeiten beschäftigen, um ihren Mangel an biographischen
und sonstigen Nachrichten zu beneiden. Was wird heute nicht alles über
einen Künstler schon zur Zeit seines Lebens geschrieben! Wer wird
sich je einmal durch alle diese Bücher, Broschüren und Zeitungs-und
Zeitschriftenaufsätze durchwinden können! Dabei enthalten die wenigsten
von diesen Schriften wirklich sachliche Angaben, die in Zukunft einmal
nützlich sein könnten. Ohne Zweifel das Wertvollste, was zur Lebens-
zeit eines Künstlers über ihn und sein Werk geschrieben werden kann,