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2 I. Unsere Antikenkenntnis vor 1800

schaft nicht bloß mit neuen Kenntnissen bereichert und gefördert,
sondern auch ihr beständig neue Probleme gestellt hat

Um den ebenso dem Umfang wie der Art des Stoffes nach
völlig veränderten Zustand unserer Kenntnisse und Anschauungen,
wie sie sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts entwickelt haben,
deutlich zu machen, wird es am geeignetsten sein, kurz zu schildern,
wie es damit bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts bestellt war.
Wir müssen bis in die ersten Zeiten der Wiederentdeckung der
antiken Kunst, bis in die Zeit der Renaissance zurückgehen.
Dabei liegt es in den gegebenen Verhältnissen, daß zunächst Rom
im Mittelpunkt der Betrachtungen steht.

Aus den Überresten einer alten Beschreibung der Stadt Rom,
die bis in Kaiser Konstantins Zeit zurückreicht, erfahren wir, daß
in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, ehe Rom zugunsten
Konstantinopels geplündert und in den Wirren und Nachwehen
der Völkerwanderung wieder und wieder verwüstet ward, die
Stadt noch eine schier unglaubliche Masse öffentlich aufgestellter
Statuen besaß. Zwei Kolosse von ungewöhnlicher Größe (der
eine maß 34 Meter) und 22 große Reiterstatuen werden aufge-
zählt, ferner 80 vergoldete und 73 goldelfenbeinerne Götterbilder,
dazu 3785 eherne Bildnisstatuen (die marmornen werden gar
nicht einmal genannt) — wo bleiben da unsere Siegesalleen
und alle unsere denkmalfreudigsten Städte! Wenn wir nun aber
am Ausgange des Mittelalters, um die Mitte des 15. Jahrhunderts,
einen Hauptvertreter der Renaissance, Poggio Bracciolini, be-
fragen, so vernehmen wir die laute Klage, daß von allen den
zahllosen Herrlichkeiten nur noch fünf Marmorstatuen, vier auf
dem Monte Cavallo und eine am Forum, und die eine eherne
Reiterstatue übrig seien, in der man damals meistens Konstantin, 750
der gelehrte Poggio dagegen richtig einen älteren römischen Kaiser
(mit Unrecht freilich Septimius Severus statt Marcaureis) erblickte. Da-
zu kamen die gewaltigen Baureste, die für die Renaissance vorbild-
lich werden sollten, vor allem das Pantheon, das Colosseum und
das Marcellustheater, die mächtigen Gewölbe der Thermen Cara-
 
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