292 XL Entdeckungen und Wissenschaft
Erklärungsweise, die das Bild am Maßstabe des Wortes prüfte,
Zurückzukehren. Auch das Kunstwerk redet seine eigene Sprache,
die es zu verstehen und in der Erklärung zur Geltung zu bringen
gilt. Es gibt nicht bloß eine geschriebene, sondern auch eine
bildliche Tradition, die ihren besonderen Gesetzen folgt. Aber
es erscheint mir nicht richtig — wenn das auch jawohl sehr un-
modern klingt — im Kunstwerk nur die Form, im Bilde nur die
Farbe und die Linie zu beachten, den Inhalt für mehr oder we-
niger gleichgültig zu erklären. Am wenigsten darf das für antike
Kunstwerke gelten. Schön der Maler Nikiäs wies darauf hin, daß
auch der Gegenstand einen Teil der Malerei ausmache. Die an-
tike Kunst kennt sowenig wie das antike Leben eine absolute
Herrschaft der Form. Den Athenern galt erst der für vollkommen,
der mit der Schönheit die innere Tüchtigkeit verband. Nicht
anders ist es mit der griechischen Kunst. Die Form ist nur die
Hülle, die sich der Inhalt schafft:
nichts ist drinnen, nichts ist draußen,
denn was innen, das ist außen.
Form und Inhalt sind untrennbar und eins; erst ihr Verhältnis
zueinander bestimmt den Wert des Kunstwerkes Und bildet den
wahren Gegenstand der Forschung.
Möchten die jungen Archäologen des neuen Jahrhunderts,
denen das alte eine so reiche Erbschaft erworben und übergeben
hat, diese unzeitgemäßen Betrachtungen und Mähnungen eines
Veteranen nicht ganz unbeachtet lassen: unsere Wissenschaft, des
bin ich gewiß, würde es ihnen danken.
Erklärungsweise, die das Bild am Maßstabe des Wortes prüfte,
Zurückzukehren. Auch das Kunstwerk redet seine eigene Sprache,
die es zu verstehen und in der Erklärung zur Geltung zu bringen
gilt. Es gibt nicht bloß eine geschriebene, sondern auch eine
bildliche Tradition, die ihren besonderen Gesetzen folgt. Aber
es erscheint mir nicht richtig — wenn das auch jawohl sehr un-
modern klingt — im Kunstwerk nur die Form, im Bilde nur die
Farbe und die Linie zu beachten, den Inhalt für mehr oder we-
niger gleichgültig zu erklären. Am wenigsten darf das für antike
Kunstwerke gelten. Schön der Maler Nikiäs wies darauf hin, daß
auch der Gegenstand einen Teil der Malerei ausmache. Die an-
tike Kunst kennt sowenig wie das antike Leben eine absolute
Herrschaft der Form. Den Athenern galt erst der für vollkommen,
der mit der Schönheit die innere Tüchtigkeit verband. Nicht
anders ist es mit der griechischen Kunst. Die Form ist nur die
Hülle, die sich der Inhalt schafft:
nichts ist drinnen, nichts ist draußen,
denn was innen, das ist außen.
Form und Inhalt sind untrennbar und eins; erst ihr Verhältnis
zueinander bestimmt den Wert des Kunstwerkes Und bildet den
wahren Gegenstand der Forschung.
Möchten die jungen Archäologen des neuen Jahrhunderts,
denen das alte eine so reiche Erbschaft erworben und übergeben
hat, diese unzeitgemäßen Betrachtungen und Mähnungen eines
Veteranen nicht ganz unbeachtet lassen: unsere Wissenschaft, des
bin ich gewiß, würde es ihnen danken.