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2Q0 XI. Entdeckungen und Wissenschaft

sollte er jünger als der Gigantenaltar von Pergamon (etwa 180) sein,
während andere beim 3. Jahrhundert stehen blieben. Dann ward auf
Grund der Inschriften die Zeit um 100 v. Chr., dann nach Maßgabe
rhodischer Inschriften die Mitte des 1. Jahrhunderts angenommen,
bis auch hier chronologisch sicher bestimmbare Inschriften ihr
Machtwort gesprochen und den vermeintlichen Gipfelpunkt helle-
nistischer Kunst in den Anfang der Kaiserzeit versetzt haben (S. 169).
Und nicht allein die Steininschriften, die ja in der Mitte zwischen
literarischen und monumentalen Zeugnissen stehen, sondern auch
die neuerdings in einer eigenen Kammer der Philologie installierte
»Papyrologie«, die ihre Vorräte immer neu aus dem trockenen
Sande Ägyptens bezieht, erweist der Kunstgeschichte erkleckliche
Dienste. Wie lange hat doch der Ansatz Polyklets geschwankt,
ehe die Siegerliste eines Papyrus aus Oxyrhynchos ihm seine feste
Stelle neben Phidias anwies (S. 274).

Diese Hilfe und Kontrolle einer methodisch gefestigten Dis-
ziplin, wie es Philologie und Epigraphik sind, erweisen sich als
der Archäologie desto heilsamer und unentbehrlicher, je mehr bei
der bloßen Stilbetrachtung, wie schon oben bemerkt ward (S. 262),
das subjektive Moment eine entscheidende Rolle spielt Es ist
noch nicht lange her, daß die moderne Umwertung aller Werte
auch die Archäologie in den Fluß aller Dinge hineinzog und die
antiken Statuen ihre Meister so rasch wechselten wie die Bilder
unserer Galerien die ihrigen: so viel Köpfe, so viel Sinne. Es
war ein notwendiges Entwickelungsstadium der entfesselten stili-
stischen Analyse; allmählich scheint größere Ruhe eingekehrt zu
sein, an die Stelle des Hastens nach Neuem ist besonneneres Ab-
wägen getreten, und auch manche »veraltete« Auffassung oder
Zuteilung ist gleich dem Taucher aus dem großen Strudel wieder
ans Licht emporgestiegen, während zahlreiche Eintagsgeschöpfe
im dunkeln Abgrunde hängen geblieben sind. Völlig festen Grund
bietet schließlich nur ein unanfechtbares schriftliches Zeugnis.

Die Masse der uns neugeschenkten Kunstwerke hat noch
eine andere minder erfreuliche Folge gehabt. Die Fülle des
Stoffes läßt sich von dem einzelnen Forscher nicht mehr bis in
alle Einzelheiten der Funde und der Forschung verfolgen. Wie
 
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