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Michaelson, Hedwig
Lukas Cranach der Aeltere: Untersuchungen über die stilistische Entwickelung seiner Kunst — Beiträge zur Kunstgeschichte, N.F., 28: Heidelberg, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.21982#0034
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21

Die mächtigen Wirkungen tragischen Geschehens aber hat der
Meister nicht zu gestalten vermocht. In seinen Kreuzigungen wirkt
der düstere Gewitterhimmel, also ein Stimmungsmoment, eindring-
licher als der Vorgang selbst, und der einsam am Kreuze betende
Kardinal Albrecht (Augsburg) rührt uns tiefer als die Passionsszenen.
Das Geschick der Judith wird ihm zu geistvoll erfassten Genrebildern
zeitgenössischen Lagerlebens (Galerie zu Gotha, von i$ßi, Nr. 334,
ßßßi, in denen uns das frische Wirklichkeitsempfinden fesselt, das
uns schon 1506 in dem bekannten Holzschnittturnier entgegentritt.
— Alles in allem ist er eine lyrische Natur, und nur innerhalb
der Grenzen des weiten Gebietes lyrischer Empfindungen — von
hoher Glaubensreinheit zu dichterischer Naturbeseelung oder bis zu
sprudelnder Heiterkeit — hat er künstlerisch gestalten können.
Der deutschen Kunst hat er weite und fruchtbare Gebiete
erobert, sowohl an„antikischen" Stoffen, von denen er zuerst „Venus
und Amor'', das Parisurteil" und „Lukrezia"*^) im Sinne
der neuen Zeit einführte, als auch an religiösen Darstellungen. Hier
sind Schöpfungen wie die vorerwähnten „Christus und die Kindlein",
„der Heiland und die Ehebrecherin" als edle Blüten der reforma-
torischen Bewegung zu betrachten.
Neben den Werken von echter, ursprünglicher Kraft steht freilich
die Fülle jener Werkstattswiederholungen, jener Mode- und Dutzend-
bilder, in denen das Wesen des Meisters gleichsam nur wie in
schwachen Brechungen zutage tritt. Wie sie in solcher Anzahl ent-
stehen konnten, erklärt sich aus seiner Stellung als einziger Ver-
treter oberdeutscher Kunst nach dem Norden und dem Osten unseres
Vaterlandes hin und aus seinem Amte als Hofmaler, das ihn be-
ständig mit den Fürsten und Grossen jener eben erst zur Kunst er-
wachenden Gaue in Berührung brachte. — Die Betrachtung des
„Künstlers" Cranach darf nimmermehr von diesen Arbeiten aus-
gehen, die im allgemeinen am besten, um mit Dürer zu sprechen,
als das „gmeine Gmäl" in seinem Werke zu bezeichnen sind.
l) Der gleiche Vorwurf ist von Dürer 1518 dargestellt (München, Pinakothek,
Nr. 244.). Wir wissen aber dank der Cranachforschung von Professor Bauch (Reper-
torium Bd. 17, 1894), dass Meister Lucas schon 1513 den Tod der Römerin dar-
stellte, und ein solches Gemälde von 1515 ist im Museum zu Hannover aufbewahrt.
 
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