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lehnen gegen die Tiefe des Mittelschiffes hin be-
fitzen, von denen hier auch keine Spur mehr zu
finden ist. Was sollen sie sonst, zumal die Sei-
tenschiffe ganz dieselbe Höhe nach Außen hin haben
mit dem Mittelschiffe?

Die Sache hat deßhalb nicht nur einen plau-
sibeln, sondern einen sehr vernünftigen Grund, wenn
man annimmt, diese Gallerien seien schon beim
Plane für eine Stiftsbibliothek berechnet gewesen.
Dazu taugten sie denn auch ganz vortrefflich.
Man gelangte zuerst auf jede von Außen her
durch einen der beiden Wendeltreppenthürme, die so-
genannten Schnecken, so daß man die Bibliothek
besuchen konnte ungehindert durch den Gottesdienst,
so daß zweitenS selbst dieser als tägliche Messe im Chore
abgehalten, hier oben imSchiffe die Studirenden nicht
im Mindesten störte. Sie zeigendrittens noch deutlich die
verkohlten Reste des gedielten Bodens; am westlichen
Ende der nördlichen Gallerie liegt heute noch die
geschlossene Kainmcr mit dem alterthümlichen Kamine
zur stillen und im Winter warmen Zurückgezogenheit
mit seinem Studium. Es sind auf diesen Gallerien
gegen die Kirche zu nur circa 1 Schuh hohe Brü-
stungen gewesen. Nimmt man nun an, daß die
Pulte mit ihren aufgelegten und angeschlossenen Bü-
cher eben mit ihrer Rückseite zwischen die Säulen
hinein gestellt warcn, so bildeten diese vollkominen
gesicherten Abschluß gegen die aösallende Tiefe des
Mittelschiffes zu; serner daß die Bücherschäfte für
die gedruckten Bücher zwischen den Fensterlichtern,
das ist an der Wand immer von dem Einen zum
Andern, und an der abschließenden Wand gegen den
Chor zu aufgestellt waren, so ist überall Licht ge-
nug, in der Mitte noch Naum für Tische und Gänge
hinlänglich, ja bequem. Die Bestätigung dieser An-
nahmen sinde ich auch in lZolli's österreichischem
Lorbeerkranze und in Nerians aoslnoZrapbia. pulut.

So hätten wir für die berühmte Bibliothek nicht
nur eine und zwar eine sehr passende Stelle, sondcrn
auch für die sonst unsrklärlichen Gallerien über den
Seitenschiffen der Heiliggeistkirche eine naturwüch-
sige und vernünftige Erklärung gefunden, und jene
Nachricht des Prof. Dr. Schmidt ist viel genauer
als die spätern Nachbetungen der ältesten Urkunden,
daß die Bibliothek, nämlich die des Wilhelm von
Dewenter im Chore aufgestcllt gewesen sei.

Da blieb denn diese weltberühmt gewordene Bi-
bliothek bis in den 30jährigen Krieg, wo sie nach der
Eroberung Heidelbergs durch die Baycrn unter Tilly
1622 — 1623 nach Rom verschenkt wurde. Pabst Ur-
ban VIII. war längst schon lüstern nach diesem
Schatze. Das wußte der Herzog Maximilian von
Baiern, den nach dem Churhut gelüstete und wozu
der Pabst ihm behülflich sein sollte. Es wußte ihn nun
der päbstliche Cardinal zu dem Versprechen zu bestimmen,
sie für den Fall der Eroberung dem Pabste zu schenken.
Also ein Wittelsbachcr verstand sich dazu, die größte
> Zierde im Besitze seines Geschlechtes zu verschachern.

Kaum war Heidelberg genommen, so beeilte sich
der Pabst den gelehrten Uoons L.ls.2ri, einen Grie-
chen, zu senden, die Bücher auszulesen, zu verpacken
und nach Rom zu bringen. Jm Anfange des Jah-
res 1623 zogen 100, nach andern 200, Maulthiere
mit dcn kostbaren Schätzen beladen über die Alpen.
Jn Rom bildetcn sie einen glänzenden Theil der
vatikanischen Büchsrsammlung. Preußen und be-
sonders den Bemühungen seines Königs Friedrich
Wilhelm III. und seines Kanzlers Hardenberg ver-
danken wir wenigstens den Rückempfang der deut-
schen Handschriftcn, Alle wieder zu erhalten war
damals nicht möglich. Nun, was noch dort ist,
w:r dürfen es nicht vergessen; es kommt wohl noch
einmal die Zeit, wo wir es fordern können. Der
Raub muß wiedcr zurück! Deutschland hat über-
haupt noch manches abzurechnen; es wird die Stunde
dazu schon noch schlagen. Nur nichts vergessen, was
unser ist!

Man sagt, es hätte Tilly's Soldateska armvoll-
weiß Bücher heruntergeschleppt und als Pserdestreu
benützt. Mag manches in den drei ersten Tagen
der Plüuderung geschchen sein, ich glaube doch nicht,
daß Tillp mit der Bibliothek so hausen ließ, die
dem Pabste, wie er wußte, und vor dem er so de-
vot sich immer zeigte, versprochen war.

Man beklagt es, daß sie so verhandelt wurde;
allein oft halten wir etwas für ein Unglück und
später zeigt es sich, daß es ein Glück war. Wäre sie
nicht sicher im Vatikan geborgen gewesen, sie wäre
mit ihrem Reste, — (Manches ist auch damals schon
nach allen Seiten hin verschleudert worden und findet
sich in den Bibliotheken von Wien, Amsterdam und
Paris), — von den sranzösischen Mordbrcnnern
1693 völlig in Asche verwandelt worden.

3. Uebcr l>ie ältestc Geschichtc des Anbaucs der
Stadt Heidelbcrg und ihrer Gcmarkung.

Vortrag, gehalten in der Versammlung des Heidelberger
Schloßvereins am 19. Juni 1867 von Pfarrer Wirth zu
Haßmersheim, Chronisten der Stadt.

Die Einladung, welche vor Kurzem an mich er-
gangen ist, in einer Versammlung des verehrlichen
Heidelberger Schloßvereins einen Vortrag über irgend
einen die Geschichte der Stadt Heidelberg betreffen-
den Gegenstand zu halten, hat mich anfänglich mit
einigem Bedenken erfüllt, vornehmlich nach der
Richtung hin, daß es mir wohl kaum gelingen dürfte,
eine so hochansehnliche Versammlung, wie die gegen-
wärtige, in welcher neben dem bürgerlichen Elemente
auch die Wissenschaft und damit zugleich die uner-
bittliche Kritik Sitz und Stimme hat, formell und
materiell einigermaßen zu befriedigen. Jch suchte
jenes Bedenken zu überwinden eines Theils mit der
Erwägung, daß die bürgerlichen Glieder der Ver-
sammlung gewissermatzen ein Recht dazu haben, von
 
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