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2. Wo war der bcdeutendste Theil der alten
1623 nach Rom geschleppten weltbcrülimten
Heidelbcrgcr Bibliothck ausgestellt t
Vortrag des Hrn. Stadtpfarrer Herbst, gehalten am
22. Januar 1867.
Das ist eine Frage, die nicht ganz uninteressant
für einen Verein sein kann, der neben der Erhal-
tung der Alterthümer seiner Stadt auch die Kennt-
niß derselben und ihrer Geschichte bezweckt, zumal
die Frage einen Gegenstand anlangt, melcher mit
Recht der größte, reichste und berühmteste Schatz
heißen darf, den Altheidelberg je in seinen Mauern
einst verwahrte.
Erst müssen wir aber diesen Schatz genau ins
Auge fassen und ihn von andern ähnlichen fest un-
terscheiden, ehe wir Untersuchungen über den Ort
seiner Aufstellung vornehmen können. Keine Univer-
sität kann ohne öffentliche Bibliothek bestehen und
hat es nie gekonnt; denn einmal kann eine Biblio-
thek als sogenannte moralische gleichsam unsterbliche
Person Jahrhunderte lang mit viel nachhaltigern
Mitteln, als ein einzelner Mann, Werke sammeln
in möglichster Vollständigkeit und sie Meistern und
Schülern zum Gebrauch bieten, Werke also besitzen,
die sich nach und nach vergreifen und für den Ein-
zelnen zuletzt gar nicht mehr zu erhalten sind; so-
dann Werke anschaffen, die für den Einzelnen doch
viel zu kostbar wären; dazu kam in den Zeiten vor
dsr Erfindung der Buchdruckerkunst (1436), daß
die Bücher ungeheuer theuer waren, so daß ein
Privatgelehrter mit 60 Büchern schon eine sehr be-
deutende Bibliothek besaß, und endlich daß, was
damals an einer Universität das Wichtigste war,
an welcher'die Schüler wie Lehrer ihr Buch, über
das oder nach welchem gelesen wurde, selbst ab-
schrieben, dieselben, wo die Fehler so leicht und
häufig waren, auf der Bibliothek immer einen
correcten Text zur Correctur des ihrigen sinden
konnten.
Wir dürfen also wohl annehmen, daß jene
Männer, welche Universitäten gründeten, und, wie
Pfalzgraf Ruprecht, mit so viel Umsicht und Sorg-
falt dabei verfuhren, auch bei der Gründung die
allmälige Beschaffung von Bibliotheken fest im Auge
behielten, obschon gerade in Heidelberg die ältesten
Urkunden, Acten der Universität, Matrikelbücher
und das Copialbuch darüber nichts berichten, so
viel mir bekannt ist. Und doch, die Stiftungsur-
kunde von 1386 ertheilt auch den Papier-, Perga-
ment- und Buchhändlern große Freiheiten und
nimmt sie mit in die Privilegien der Universität auf.
1386 ward die Universität gestiftet; 10 Jahre
nachher erfahren wir schon, daß ihr erster Kanzler,
der Domprobst zu Worms, (diese waren gleichsam
so ipso Kanzler der Universität,) Conrad von Geln-
hausen der Universität seine Bibliothek vermacht,
dennoch muß sie die Universität so zu sagen kaufen,
indem er ihr nur das Geld hierfür vermachte zur
Beschaffung eines Jnstituts, wie es die Mutter der
Rupertina, wie es die Pariser Universität schmückte,
nämlich eine Art von Sorbonne. Diese Bibliothek
gilt nun allgemein als der Anfang der Heidelberger
Universitäts-Bibliothek, ohne daß man sagen könnte,
ob nicht die Universität aus hiefür ausgeworfenen
Mitteln zuvor schon mit einer Ansammlung von
Büchern angefangen hatte.
Bald darauf schenkte ihr erster so verdienstvolle
Rector Marsilius von Jnghen, der bei St. Peter
beerdigt liegt, ihr ebenfalls seine ganze werthvolle
Privatbibliothek. Jn seinem in den Copialbüchern
noch enthaltenen Testamente trennt er diese aber,
und vermacht der Artistenfakultät nur diejenigen
seiner Bücher, die eben philosophischen, d. h. nicht
theologischen, juridischen oder medizinischen Jnhalts
sind. Hieraus geht unzwcifelhaft hervor, daß auch
die andern sogenannten obern Facultäten schon ihre
Büchereien angelegt hatten, die eben Marsilius
mit seiner Bibliothek gleichfalls bereichern wollte.
Die Scheidung der Facultäten war, im Vorbeigehen
sei es gesagt, eine eigene. Niemand konnte in jene
sogenannten oberen Facultäten aufgenommen werden,
er mußte erst die Artisten- oder philosophische Fa-
cultät durchlaufen haben, oder Mitglied derselben
sein. Sie war aber darum keine Untere, Geringere,
sie war nur die Generelle, Allgemeine, der Stamm,
der als Zweige dann die der einzelnen Fächer,
Fachfakultäten, wie man auf österreick)ischen
Universitäten sagt, die Brotfächer, trieb. Der
Rector mußte damals dieser Artistensacultät ent-
nommen sein. Jhre Bibliothek war die allgemeine
Universitäts-Bibliothek, die andern Facultäten hatten
die ihrige von jener doch wohl blos der Bequem-
lichkeit, vielleicht auch wegen Mangel an Raum, ge-
trennt.
Diese Artistenfacultäts-Bibliothek war vielleicht
anfänglich wie die übrigen in hiesigen Klöstern auf-
gestellt, denn es war sonst kein Raum da. Um
einen solchen zu schaffen hat Ruprecht II., des Ver-
storbenen I. Neffe, wie Sie wissen, sich eines eigenen
Mittels bedient, er hat die Juden vertrieben (1390),
ihre Häuser der Universität geschenkt, ihre Schule
zu einem Auditorium und Senatssaal gemacht und
ihre theils sehr kostbaren orientalischen Codices der
Universität geschenkt, welche der Kern der später so
bedeutsam gewordenen Sammlung orientalischer Bücher
wurde. Dvrt wurde die Bibliothek der Artisten-
fakultät aufgestellt und kam dann bald darauf in
die Burse dieser Facultät, die zwischen der Augu-
stiner- und Heugasse von den erbeuteten Judengel-
dern erbaut wurde. Wir lesen, als der Kurfürst
Ludwig V. (1508) aus dem Platze der heutigen
Jesuitenkirche und etwas südlich davon einen Mar-
stall errichtete, häufige Klagen der Facultät, daß
ihre Bücherei vielen Schaden leide, weil der Kurfürst
unter ihr hindurch den Abzugscanal für das Wasser
2. Wo war der bcdeutendste Theil der alten
1623 nach Rom geschleppten weltbcrülimten
Heidelbcrgcr Bibliothck ausgestellt t
Vortrag des Hrn. Stadtpfarrer Herbst, gehalten am
22. Januar 1867.
Das ist eine Frage, die nicht ganz uninteressant
für einen Verein sein kann, der neben der Erhal-
tung der Alterthümer seiner Stadt auch die Kennt-
niß derselben und ihrer Geschichte bezweckt, zumal
die Frage einen Gegenstand anlangt, melcher mit
Recht der größte, reichste und berühmteste Schatz
heißen darf, den Altheidelberg je in seinen Mauern
einst verwahrte.
Erst müssen wir aber diesen Schatz genau ins
Auge fassen und ihn von andern ähnlichen fest un-
terscheiden, ehe wir Untersuchungen über den Ort
seiner Aufstellung vornehmen können. Keine Univer-
sität kann ohne öffentliche Bibliothek bestehen und
hat es nie gekonnt; denn einmal kann eine Biblio-
thek als sogenannte moralische gleichsam unsterbliche
Person Jahrhunderte lang mit viel nachhaltigern
Mitteln, als ein einzelner Mann, Werke sammeln
in möglichster Vollständigkeit und sie Meistern und
Schülern zum Gebrauch bieten, Werke also besitzen,
die sich nach und nach vergreifen und für den Ein-
zelnen zuletzt gar nicht mehr zu erhalten sind; so-
dann Werke anschaffen, die für den Einzelnen doch
viel zu kostbar wären; dazu kam in den Zeiten vor
dsr Erfindung der Buchdruckerkunst (1436), daß
die Bücher ungeheuer theuer waren, so daß ein
Privatgelehrter mit 60 Büchern schon eine sehr be-
deutende Bibliothek besaß, und endlich daß, was
damals an einer Universität das Wichtigste war,
an welcher'die Schüler wie Lehrer ihr Buch, über
das oder nach welchem gelesen wurde, selbst ab-
schrieben, dieselben, wo die Fehler so leicht und
häufig waren, auf der Bibliothek immer einen
correcten Text zur Correctur des ihrigen sinden
konnten.
Wir dürfen also wohl annehmen, daß jene
Männer, welche Universitäten gründeten, und, wie
Pfalzgraf Ruprecht, mit so viel Umsicht und Sorg-
falt dabei verfuhren, auch bei der Gründung die
allmälige Beschaffung von Bibliotheken fest im Auge
behielten, obschon gerade in Heidelberg die ältesten
Urkunden, Acten der Universität, Matrikelbücher
und das Copialbuch darüber nichts berichten, so
viel mir bekannt ist. Und doch, die Stiftungsur-
kunde von 1386 ertheilt auch den Papier-, Perga-
ment- und Buchhändlern große Freiheiten und
nimmt sie mit in die Privilegien der Universität auf.
1386 ward die Universität gestiftet; 10 Jahre
nachher erfahren wir schon, daß ihr erster Kanzler,
der Domprobst zu Worms, (diese waren gleichsam
so ipso Kanzler der Universität,) Conrad von Geln-
hausen der Universität seine Bibliothek vermacht,
dennoch muß sie die Universität so zu sagen kaufen,
indem er ihr nur das Geld hierfür vermachte zur
Beschaffung eines Jnstituts, wie es die Mutter der
Rupertina, wie es die Pariser Universität schmückte,
nämlich eine Art von Sorbonne. Diese Bibliothek
gilt nun allgemein als der Anfang der Heidelberger
Universitäts-Bibliothek, ohne daß man sagen könnte,
ob nicht die Universität aus hiefür ausgeworfenen
Mitteln zuvor schon mit einer Ansammlung von
Büchern angefangen hatte.
Bald darauf schenkte ihr erster so verdienstvolle
Rector Marsilius von Jnghen, der bei St. Peter
beerdigt liegt, ihr ebenfalls seine ganze werthvolle
Privatbibliothek. Jn seinem in den Copialbüchern
noch enthaltenen Testamente trennt er diese aber,
und vermacht der Artistenfakultät nur diejenigen
seiner Bücher, die eben philosophischen, d. h. nicht
theologischen, juridischen oder medizinischen Jnhalts
sind. Hieraus geht unzwcifelhaft hervor, daß auch
die andern sogenannten obern Facultäten schon ihre
Büchereien angelegt hatten, die eben Marsilius
mit seiner Bibliothek gleichfalls bereichern wollte.
Die Scheidung der Facultäten war, im Vorbeigehen
sei es gesagt, eine eigene. Niemand konnte in jene
sogenannten oberen Facultäten aufgenommen werden,
er mußte erst die Artisten- oder philosophische Fa-
cultät durchlaufen haben, oder Mitglied derselben
sein. Sie war aber darum keine Untere, Geringere,
sie war nur die Generelle, Allgemeine, der Stamm,
der als Zweige dann die der einzelnen Fächer,
Fachfakultäten, wie man auf österreick)ischen
Universitäten sagt, die Brotfächer, trieb. Der
Rector mußte damals dieser Artistensacultät ent-
nommen sein. Jhre Bibliothek war die allgemeine
Universitäts-Bibliothek, die andern Facultäten hatten
die ihrige von jener doch wohl blos der Bequem-
lichkeit, vielleicht auch wegen Mangel an Raum, ge-
trennt.
Diese Artistenfacultäts-Bibliothek war vielleicht
anfänglich wie die übrigen in hiesigen Klöstern auf-
gestellt, denn es war sonst kein Raum da. Um
einen solchen zu schaffen hat Ruprecht II., des Ver-
storbenen I. Neffe, wie Sie wissen, sich eines eigenen
Mittels bedient, er hat die Juden vertrieben (1390),
ihre Häuser der Universität geschenkt, ihre Schule
zu einem Auditorium und Senatssaal gemacht und
ihre theils sehr kostbaren orientalischen Codices der
Universität geschenkt, welche der Kern der später so
bedeutsam gewordenen Sammlung orientalischer Bücher
wurde. Dvrt wurde die Bibliothek der Artisten-
fakultät aufgestellt und kam dann bald darauf in
die Burse dieser Facultät, die zwischen der Augu-
stiner- und Heugasse von den erbeuteten Judengel-
dern erbaut wurde. Wir lesen, als der Kurfürst
Ludwig V. (1508) aus dem Platze der heutigen
Jesuitenkirche und etwas südlich davon einen Mar-
stall errichtete, häufige Klagen der Facultät, daß
ihre Bücherei vielen Schaden leide, weil der Kurfürst
unter ihr hindurch den Abzugscanal für das Wasser