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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Unsere Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0209
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Unsere Bilder

UNSERE BILDER

V Man weiss heute, dass wir in unserer gegen-
wärtigen Stilsuche manchen „Holzweg" gegangen
sind. Ganz natürlich! Denn in der Stilwucherung
der letzten Jahrzehnte boten selbst kränkliche Treib-
hauserzeugnisse noch eine relativ erquickende
Augenweide. Man sah da wenigstens wieder selb-
ständige Denkkraft und Persönlichkeit. Heute sind
wir zwar noch nicht sehr viel, aber doch ein er-
kleckliches Stück weitergekommen, indem wir, so
paradox es klingt, umkehrten, die Holzwege ver-
lassen haben. Wir erkennen den Kern der Sache
wieder und kehren zu jenem Gehalt an Klassizität
zurück, der allen Stilen zu allen Zeiten eigen war.
Aber diese Umkehr brachte zugleich eine grosse
Gefahr, vor der wir uns sehr zu hüten haben, vor
der „Biedermeierei". Wenn sie nur zum Aus-
gangspunkte unserer Weiterentwickelung dient, ist
sie wohl angebracht. Denn schliesslich musste sie
ja kommen als letztes Glied in der sehnsuchtsvollen
Nachahmung verlorenen Besitzes. V

V Die Abbildungen unserer heutigen Nummer ent-
stammen durchweg stiller unverdrossener Arbeit,
die in steter Fühlung mit dem inneren Wesen der

Architektur ihre vorwärtsweisenden Wege ging. Sei
es, dass man daraufhin Professor Max Littmanns
Neubau der Münchener Neuesten Nachrichten oder
die Brückenbauten der Professoren Theodor
Fischer und Friedrich v. Thiersch betrach-
tet, oder die Entwürfe der Barmer Architekten
Schutte & Volmer, des Karlsruhers Karl Leu-
bert, des Engländers M. Alexander Harvey her-
nimmt, sie alle haben den gemeinsamen Zug: auf
alterprobter Grundlage Neues zu bilden. V
V Ebenso unsere Innenräume. Während aber
Professor Gustav Halmhuber die gehobene
Stimmung seines Empfangssaales durch Einfachheit
und Formengrösse erreicht und Heinrich Seebach
sich mehr der ländlichen Ausdrucksweise hingibt,
knüpft Paul Ludwig Troost unmittelbar an die
Biedermeierzeit an. Es ist ein ganz eigenartiger Reiz,
in seinen Entwürfen die anspruchslose Schönheit jener
Zeit mit all der Kultur der unseren in eins verschmol-
zen zu finden. Schade, dass durch das Ableben des
Bauherrn die Entwürfe vorerst nur Papierkunst ge-
blieben sind. Sie waren für ein eben im Bau begriffenes
Haus in der Georgenstrasse zu München bestimmt.

Verantwortlicher Herausgeber: M. J. GRADL-Stuttgart, Rotenwaldstrasse 23.
Verlag: JULIUS HOFFMANN-Stuttgart. Druck: Hoffmannsche Buchdruckerei Felix Krais Stuttgart.

(Der Nachdruck aller in dieser Nummer enthaltenen Artikel und Bilder ist verboten.)
 
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