Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

DOI issue:
Nr. 9
DOI article:
Lux, Joseph August: Schöne Gartenkunst
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0372
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
SCHÖNE GARTENKUNST

VON JOSEPH AUG. LUX, WIEN-DOBLING

Von Bacon ist das Wort, dass die fortschreitende
Kultur die Menschen früher dazu brachte, schöne
Häuser zu bauen, als schöne Gärten anzulegen, als
ob die Gartenkunst ein höherer Grad von Voll-
kommenheit wäre. Jedenfalls kam die Menschheit,
der Not gehorchend, zuerst darauf, Wohnungen zu
schaffen, Wohnungen schlechthin, als Zufluchtsort,
die der allmählich erstarkende Formensinn auszu-
gestalten half. Sicherlich sehr viel später ist der
Sinn für die Aesthetik der Pflanze erwacht und der
Gedanke, auch das umliegende Stück Natur zu „ver-
menschlichen". In der „Vermenschlichung" der
Naturformen, also ihrer Anpassung an die mensch-
lichen Bedürfnisse liegt das Wesen der Architektur.
V Bei allen Völkern findet sich ausnahmslos bei
ihrem Eintritt in die Geschichte eine mehr oder
weniger reiche Gartenkultur, ja in mehreren Fällen
ein hochentwickelter Gartenstil vor, dessen Grund-
sätze heute noch vielfach im Gartenbau wirksam
sind, als ob sie ein zu Zeiten vielleicht verkanntes,
aber eigentlich unverlierbares Gesetz bildeten. Nach
dem heutigen Stande der schönen Gartenkunst lässt
sich sagen, dass in keiner Zeit und von keinem Volke
ein bestimmter Gartenstil entwickelt wurde, dernicht
in der Gartenarchitektur der Gegenwart nachzu-
fühlen wäre. Der architektonische Garten mit regel-
mässiger rechtwinkeliger Einteilung, von Solitär-
pflanzen bestanden, war ein Zeitgenosse der Pyra-
miden; mit der Kunst Aegyptens wanderte er nach
Mesopotamien, wo er den Ursprung zur Legende
von den hängenden Gärten der Semiramis bildete;
dem architektonischen Prinzip vermählte der Orient
den wunderbaren Reichtum der Vegetation und
nährte im Altertum eine stark ausgeprägte Garten-
liebe, die sich auf die Römer übertrug. Nach dem
Orientalen Vorbild brachten sie die Gartenkultur ins
Abendland und schufen in allen Besitzverhältnissen
entzückendeBeispiele, von den pompejanischenHaus-
und Zimmergärtchen angefangen, bis zu den Villen-
gärten der römischen Grossen, deren Beschreibung

man bei Plinius nachlesen mag. Von der römischen
Gartenkunst nehmen die Gartenanlagen des Mittel-
alters und der Renaissance ihren Ausgangspunkt;
einerseits weisen die Klostergärten, die man heute
noch vereinzelt findet, auf das Vorbild des gemauerten
römischen Hausgartens zurück; abgezirkelte, steinum-
fassteBeete in strenger geometrischer Einteilung, spar-
sam und symmetrisch verteilte Sträucher oder kleine
Bäume, von der Schere in strenger Form gehalten; in
der Mitte des Blumengartens singt eine Fontäne ihre
monotone Melodie. Das Ganze ist ein fesselndes Bild,
schön und eigenartig, der weisse Hof mit den dunklen
Arkaden, die blühenden Rosenbäume, die hellen
Blumenbeete, und das düstere Kleid der Mönche. An-
dererseits gehen auch die Renaissancegärten auf den
römischen Villengarten zurück. Der mittelalterliche
Baugedanke, das Zusammendrängen der Wohnstätten
auf enge, befestigte Plätze begünstigte mehr die
Entwicklung des sparsamen Hausgartens, davon
manche Bauerngärten ausgezeichnete Vorbilder bis
in unsere Zeit überliefert haben. Seit der Renais-
sance geht der Garten wieder in die Landschaft
hinaus. Die alten italienischen Gärten sind fast
durchwegs architektonische Meisterwerke in bezug
auf künstlerische Ausnützung und Ueberwindung
von Terrainschwierigkeiten, wie sie ein mit Bergen
und Hügeln so durchsetztes Land wie Italien bildet.
Die Linien des Gebäudes gehen in die freie Natur
hinaus, mit diesen selber die Architektur mit Ver-
anden, offenen Hallen, Loggien, Terrassen, Balustra-
den, Fontänen, Kaskaden, und Skulpturen, geordnet
und eingeteilt nach strengem Grundriss, in dem alle
Höhenunterschiede des Bodens wohl erwogen und
berücksichtigt sind, um das Ganze, Natur und Bau-
werk als organisches Kunstgebilde erscheinen zu
lassen. Die terrassenartige Anlage ist das architek-
tonische Prinzip des italienischen Gartens geworden,
das in den meisten Gärten Europas, namentlich aber
Englands und Schottlands, wiederkehrt. V
V Die entscheidendste Umbildung und Fortentwick-
 
Annotationen