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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr. 9
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Lux, Joseph August: Schöne Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0375
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Schöne Gartenkunst

schliessen. Vergleiche mit der wilden Natur her-
vorrufen und zugleich das Gefühl des Unzuläng-
lichen, was den Aufenthalt sicherlich ungemütlich
macht. Der Garten ist als organische Fortsetzung
des Hauses gedacht, denn ein Teil des Lebens soll
sich in ihm abspielen. Man will auch an feuchten
Tagen trockenen Fusses darin lustwandeln können,
weshalb die Wege mit Backsteinfliessen belegt sind;
selbst die Blumenbeete sind vielfach abgemauert,
oder mit grossen Kieselsteinen zierlich eingefasst,
oder auch, was man heute noch hie und da findet,
mit braunen, zylindrischen Selterskrügen abgesteckt.
Das ist von einer ganz reizenden dekorativen Wir-
kung. Ueberhaupt sind namentlich bei unebenem
Terrain die gemauerten Gärtenbesonderssinngemäss,
und das nicht nur aus praktischen Gründen wegen
der Bewässerung und Befestigung des Erdreichs,
sondern auch ganz erheblich aus ästhetischen
Gründen, die aus den architektonischen Beding-
ungen des Hausgartens abzuleiten sind. Ueber die
Schönheit der trotz ebenem Terrain gemauerten
Blumengärten Hollands ist keine Frage mehr, und
wer jemals den gemauerten italienischen Bauern-
gärten einige Beachtung geschenkt, kann es be-
zeugen, dass der praktische Sinn der bäuerlichen
Besitzer von einem instinktiven Schönheitsgefühl
nicht verlassen ward. Die Aesthetik solcher ge-
mauerten Gärten kann man übrigens auch an den
meisten Klostergärten studieren, und wem diese
Gelegenheit entrückt ist, der mag immerhin einen
Blick auf Böcklins Bild „In der Gartenlaube" werfen,
um zu ersehen, wie ein feines, stilistisches Emp-
finden mit den einfachsten Mitteln die höchsten
Wirkungen erzielen kann. Etwas von diesem Stil-
gefühl lebt auch in den alten Hausgärten, die darum
der Ausdruck einer feinen geistigen Kultur waren.
Ihre Bestandteile sind nicht Rasen, Baum oder
Baumgruppe, sondern Blumenbeet, Laube und Hecke.
Diese allein stehen im richtigen Verhältnisse zum
Raum, der schönste Baum würde auf dem beengten
Platze das traurige Gefühl der Gefangenschaft er-
wecken, sein köstlicher Schatten würde eine trüb-
selige Finsternis in die allzu nahen Fenster werfen
und auf dem Boden, den er bedeckt, keine Blumen
gedeihen lassen; aller Segen würde in einem solchen
Missverhältnisse ins Gegenteil verwandelt. Darum
ist zumeist der Baum aus der Nähe des Hauses
und zumal aus dem kleinen Hausgarten verwiesen
und nach einem ferneren Grundstück entrückt, das
sich als Obstgarten an den Blumengarten anschliesst.
In dem letzteren sind die Laube und der Lauben-
gang, oder die Pergola, die Spender des Schattens.
Geissblatt, Ahorn und wilder Wein erweisen sich
hiezu als dankbare Pflanzen. V

V Nicht nur zur Verkleidung von Veranden, Lauben
und Laubgängen findet der wilde Wein Verwendung,
sondern auch häufig als Wandverkleidung in alten
Gartenhöfen. Höfe dieser Art sind noch häufig zu
sehen, wo vor der rebenumsponnenen Hauswand der
Reihe nach blühende Oleanderstöcke aufgestellt
werden, was im Verein mit der grossväterisch
bürgerlichen Architektur einen höchst intimen poe-
tischen Reiz ausübt und als trefflicher Beleg für
die Tatsache gelten kann, dass eine der wesent-
lichsten künstlerischen Bestimmungen von Haus-
gärten die Erkenntnis der Aesthetik der Pflanze
war. Eine solche Erkenntnis schloss von vornher-
ein jede theatralische Verwendung der Mittel aus,
sie sucht vielmehr in der Wahl und Behandlung
dem Wesen der Pflanze gerecht zu werden und dar-
in zugleich etwas von dem Gemüt der Bewohner,
von ihrer Einsicht und ihren Bedürfnissen und von
ihrem Verhältnis zur Natur auszudrücken, mit einem
Wort, ein Menschliches, das zugleich so künstlerisch
wirkt. Denn im Grunde ist es eins. Ein Ver-
menschlichen haben wir ja als den Grundzug der
Architektur bezeichnet. V

V Zugleich mit dem alten Hausgarten wurde auch
der Bauerngarten wieder entdeckt, der eigentlich
viel älter ist, als jener. Jedenfalls älter als der
Kunstbegriff. Alter Kulturbesitz ist in solchen
Gärten enthalten. Manche Bauerngärten sind zu
finden, die in mehr als einer Hinsicht Kunstwerke
sind, Künstelei ist ihnen fremd. Wie der Bürger
hatte auch der Bauer an der Ueberlieferung des
regelmässigen Gartens festgehalten. Klein sind die
Gärten, aber sie scheinen oftmals gross wegen ihrer
guten Verhältnisse. Auch hier gilt das Gesetz, dass
Monumentalität nicht von der räumlichen Grösse
abhängt. V

V V V

Heute ist der Gartenkünstler vom Kunstgärtner
verdrängt. Ein bestimmter Gegensatz liegt in
diesen Worten. Der Kunstgärtner kopiert nur, er
schafft nicht. Er kennt zwei Schablonen, das fran-
zösische Teppichbeet und den „englischen" Garten.
Beide wendet er zugleich an. Man kann seine zwei
Schablonen in jedem Stadtpark, in jedem Hausgarten,
in jeder winzigen öffentlichen Gartenanlage antreffen.
Er weiss nicht, dass das Teppichbeet einzig und
allein in jenen barocken Gartenschöpfungen Sinn
hatte, wo man vom Balkon des Schlosses auf den
die Hausarchitektur fortsetzenden Gartengrund
niederschauen konnte, also die „Daraufsicht" hatte.
Er kümmert sich nicht um die Forderungen des
Terrains, des Raumausmasses und der Pflanzen-
 
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