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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 22.1923

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Nr. I
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Riphahn, Wilhelm: Siedlungen und andere Bauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.61847#0017

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SIEDLUNGEN UND ANDERE BAUTEN
VON ARCHITEKT WILHELM RIPHAHN, KÖLN

Die Abbildung eines Bauwerkes will die An-
schauung des Werkes selbst ersetzen. Wie
weit dies ihr möglich ist, mag dahingestellt sein,
aber sicher ist es ein verfehltes Beginnen, mit
Geleitworten das Bild ergänzen zu wollen. Da
nun aber doch etwas gesagt werden soll, wirds
besser über das Werden der Dinge sein, die sich
im Bilde darbieten, über das was mit der Ver-
gangenheit verbindet und Ausblick in die Zukunft
ist. Es soll versucht werden, den architektonischen
Gestaltungswillen des Künstlers zu zeigen, ohne
allzu enge Bindung mit den Abbildungen, die für
sich sprechen mögen.
Der Siedlungsbau machte im letzten Jahrzehnt
eine unheimlich rasche Entwicklung durch, den
starken Bewegungen der Zeitläufte folgend und
sie zum Teil fast überbietend. Die Arbeit des ein-
zelnen muß mehr oder weniger scharf diese Ent-
wicklung, oder wenn man will, dieses Schicksal
widerspiegeln.
Die übermäßig betonte Individualität des Einzel-
baues der Vorkriegszeit bestimmte bis 1914 das
städtebauliche Bild. Eine gesunde Reaktion suchte
dem zu begegnen, ohne jedoch das romantische
Grundelement dieser individuellen Zeit ganz zu
verleugnen. In diesen gegebenen Zustand wurde
der Architekt hineingestellt und hatte sich mit
ihm abzufinden.
Wilhelm R i p h a h n s früheste Siedlungsbauten
sind die Arbeiten der Bickendorfer Kolonie. Die
Arbeiten fallen in die Jahre 1917—1920. Die
Bodenpolitik des Jahres 1914 bestimmte die Ge-
nossenschaften auch in der ländlichen Siedlung
zu einer hochgetriebenen Ausnutzung des Ge-

ländes, und trotz der Gartenanlagen zu eng ge-
stellten Baugruppen. Die noch vorkriegszeitlich
historizistische Grundstimmung mußte in diesen
Arbeiten zum Ausdruck kommen. Nach der
schnellen Umwandlung der letzten Jahre be-
rühren uns heute diese Straßen- und Platzbilder
fast wie in Geschichte eingefügt. Wir sehen Klein-
stadtbilder von anziehender Intimität, lassen uns
gerne gefangen nehmen von dem Reiz enger
Straßen und der freundlichen Physiognomie
kleiner Bürgerhäuser. Die Gruppierung verrät
die sichere organisatorische Hand, die dem räum-
lichen und zeitlichen Programm in hohem Maße
gerecht wurde.
Doch entstehen neben räumlich abgeschlossenen
malerischen Straßen hier und da aus den Wieder-
holungen, die bisher sorgfältig durch die mannig-
faltige Gruppierung zurückgedrängt wurden, neue
Gebilde, die gerade aus der rhythmischen Wieder-
holung ein neues architektonisches Moment zu
schaffen suchen. Die später in Angriff genommene
Siedlung am Nordfriedhofbetont dieses Wieder-
holungsmoment bewußter und zielsicherer und
schafft so im Gegensatz zu früheren intimen
Einzelhäusern und Gruppen mit ihren abge-
schlossenen Wirkungen die Physiognomie der
Strassen wand. Als schmückende und charak-
terisierende Einzelheit tritt nur noch die Eingangs-
türe auf. Die Not der Zeit drängte zu immer
stärkerer Typisierung und kam dem neuen Form-
ungswillen des Architekten entgegen.
Das im Grunde jedoch unzerstörbare roman-
tische Erbteil der letzten Jahrzehnte bricht hier
und da wieder durch in den malerischen Ab-

MOD. BAUFORMEN 1923. I, 1.
 
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