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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Verkündigung Mariae (Nr. 25, Bes. S. K. H. Herzog Georg M. v. Leuchtenberg, unsere Abb. 2)
katalogisiert; später sprach von Liphart (St. G. S. 706) den sehr beachtenswerten Gedanken
aus, ob es sich nicht um ein Frühwerk Filippino Lippis handele. Meine Vermutung,
eine anbetende Madonna von außerordentlich feiner Modellierung des Kopfes (Nr. 39,
Bes. Graf A. A. Golenischtschew-Kutusow) könnte eine Arbeit des Carrandmeisters, alias
Giuliano Pesello, sein, fand durch v.
(St. G. S. 712); ob sie für die Rechtfertigung
Abb. 3. Oberitalienisch (?) XV. Jahrhdt.
Pieta □
Lipharts Beobachtungen Bestätigung
der Zuschreibung genügt, bleibt abzu-
warten. Für eine Pieta von großer
Schönheit der Farbe (Nr. 41, unsere
Abb. 3, Bes. S. K. H. Großfürst Kon-
stantin) lehnt v. Liphart (St. G. S. 706)
gewiß mit vollem Recht den bisherigen
Namen Mantegna ab; ob aber der ober-
italienische Ursprung des Bildes über-
haupt zu leugnen ist, bleibt für mich
fraglich. Weder die technischen Beobach-
tungen über die Untermalung noch die
Vergleichung der Typen sind für mich
ganz überzeugend. Ich vermag in dem
Bilde auch nicht den starken Einfluß
Botticellis zu erkennen, noch genügende
Ähnlichkeit zwischen dem Christus und
Sellaios Gekreuzigtem in S. Frediano1),
auf die v. Liphart trotz der zugestan-
denen geringeren Qualität des letzt-
genannten Bildes Gewicht legt, um an
florentinischen Ursprung zu glauben. Das
arg verriebene, dennoch aber sehr stim-
mungsvolle Bild eines Schmerzensmannes
zwischen zwei weiblichen Heiligen (Nr. 8,
Abb., Bes. Gräfin E. W. Schuwalow)
hat den Anspruch auf den bisherigen
Namen Ambrogio Borgognone be-
hauptet. Von den späten Quattrocen-
tisten imponierte Perugino durch das
außerordentlich fein modellierte und in
der Farbe sehr warme Brustbild des hl. Sebastian (Nr. 292, unsere Abb. 4, Bes. Marchesa
Camponari), das an Tiefe und Wahrheit des Ausdruckes alle anderen analogen Dar-
stellungen übertreffen dürfte. Die in verschiedenen Wiederholungen vorkommende
Magdalena (ebenfalls Brustbild; Nr. 250, Bes. S. K. H. Herzog Georg M. v. Leuchten-
berg) war ein jedenfalls eigenhändiges Stück von gutem Ausdruck. Von Pinturicchio
9 Abb. bei H. Mackowsky. J.-B. K. Pr. K.-S. 1899. S. 192.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Verkündigung Mariae (Nr. 25, Bes. S. K. H. Herzog Georg M. v. Leuchtenberg, unsere Abb. 2)
katalogisiert; später sprach von Liphart (St. G. S. 706) den sehr beachtenswerten Gedanken
aus, ob es sich nicht um ein Frühwerk Filippino Lippis handele. Meine Vermutung,
eine anbetende Madonna von außerordentlich feiner Modellierung des Kopfes (Nr. 39,
Bes. Graf A. A. Golenischtschew-Kutusow) könnte eine Arbeit des Carrandmeisters, alias
Giuliano Pesello, sein, fand durch v.
(St. G. S. 712); ob sie für die Rechtfertigung
Abb. 3. Oberitalienisch (?) XV. Jahrhdt.
Pieta □
Lipharts Beobachtungen Bestätigung
der Zuschreibung genügt, bleibt abzu-
warten. Für eine Pieta von großer
Schönheit der Farbe (Nr. 41, unsere
Abb. 3, Bes. S. K. H. Großfürst Kon-
stantin) lehnt v. Liphart (St. G. S. 706)
gewiß mit vollem Recht den bisherigen
Namen Mantegna ab; ob aber der ober-
italienische Ursprung des Bildes über-
haupt zu leugnen ist, bleibt für mich
fraglich. Weder die technischen Beobach-
tungen über die Untermalung noch die
Vergleichung der Typen sind für mich
ganz überzeugend. Ich vermag in dem
Bilde auch nicht den starken Einfluß
Botticellis zu erkennen, noch genügende
Ähnlichkeit zwischen dem Christus und
Sellaios Gekreuzigtem in S. Frediano1),
auf die v. Liphart trotz der zugestan-
denen geringeren Qualität des letzt-
genannten Bildes Gewicht legt, um an
florentinischen Ursprung zu glauben. Das
arg verriebene, dennoch aber sehr stim-
mungsvolle Bild eines Schmerzensmannes
zwischen zwei weiblichen Heiligen (Nr. 8,
Abb., Bes. Gräfin E. W. Schuwalow)
hat den Anspruch auf den bisherigen
Namen Ambrogio Borgognone be-
hauptet. Von den späten Quattrocen-
tisten imponierte Perugino durch das
außerordentlich fein modellierte und in
der Farbe sehr warme Brustbild des hl. Sebastian (Nr. 292, unsere Abb. 4, Bes. Marchesa
Camponari), das an Tiefe und Wahrheit des Ausdruckes alle anderen analogen Dar-
stellungen übertreffen dürfte. Die in verschiedenen Wiederholungen vorkommende
Magdalena (ebenfalls Brustbild; Nr. 250, Bes. S. K. H. Herzog Georg M. v. Leuchten-
berg) war ein jedenfalls eigenhändiges Stück von gutem Ausdruck. Von Pinturicchio
9 Abb. bei H. Mackowsky. J.-B. K. Pr. K.-S. 1899. S. 192.