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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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H. Th. Bossert. Dürers Aufenthalt in Straßburg

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einmal ausgemacht. — Wäre nämlich auf Nr. 31
und Nr. 32 die von Burckhardt angenommene
Beischrift gestanden, wie erklärte es sich dann,
daß das Inventar von 1580 1), das sonst sich
nicht genug tun kann mit dem Zusatze „von
Dürers handt" sagt: „hat ein alter maister von
Straßpurg gemacht", und daß das Geheimbüchlein
von 1633 2) nur den Gegenstand nennt und nicht
den Maler?
Ferner wie erklärt es sich, daß zu Nr. 32
das Inventar von 1580 bemerkt: „Ein Weibs
bildt. Inn ein tefelein von Ölfarben gemalt
umb 3 fl.? — Das Inventar von 1580 ist völlig
abhängig, sogar im Ausdruck, von dem von 1573;
nur ist es kritikloser, und dort, wo das Inventar
1573 die Autorschaft Dürers in der Schwebe
läßt, behauptet es dieselbe. Somit ist natürlich
in unserm entgegengesetzten Falle auch nicht
gesagt, weil eben gerade das Inventar von 1580
sich so kritiklos erweist, daß Nr. 31 und Nr. 32
nicht trotzdem von Dürer herrühren könnten.
Nur die Inschrift kann nicht auf Nr. 31 und Nr. 32
gestanden haben, denn wenn sie sich darauf
befunden hätte, wäre den nachfolgenden In-
ventaristen, denen es außerdem vielmehr wie
dem Verfasser von 1573 auf einen möglichst
guten Verkauf der Bilder ankam, niemals Zweifel
an der Autorschaft Dürers aufgestiegen, zumal
dieselben auch Dürers Handschrift ausgezeichnet
kennen mußten. Bei den Zahlen ist aber eine
solche Unterscheidung der Hand fast unmöglich;
überhaupt braucht nicht einmal diese, wie wir
gleich sehen werden, vorhanden gewesen sein. —
Wie erklärt sich nun aber der Text des Inventars
von 1573? — Ganz einfach; als Wilbodt die
Bilder zwischen 1564 und 1574 erstand — im
ersten Inventar von 1564 finden sie sich noch
nicht — hatten diese natürlich ihre Tradition.
Der Verkäufer sagte etwa: die hat Dürer gemalt,
als er in Straßburg war, und der Dargestellte,
der als Künstler jedenfalls leicht zu erkennen war,
ist damals sein Lehrer gewesen. Als Wilboldt
dann die beiden ins Inventar eintrug, fügte er
diese Erzählung nebst der Jahreszahl 3), die auf
Nr. 32 stand, zur Erläuterung bei. Vielleicht ist
der Gang auch ein andrer gewesen, und scheint
9 Nach Wilboldts Tod wird von seinen Söhnen (vgl.
Stammbaum) am 11. April 1580 ein neues Inventar auf-
genommen.
2) Geheim Büchlein für mich Hans Hieronymum Imhoff
1633-1649. Zu alldem vgl. auch die Mitteilungen d. K. K.
Zentralkommission z. Erforsch, u. Erhalt, d. Baudenkm.
Bd. V (1860): Inventare d. Imhoffschen Kunstkammer zu
Nürnberg v. Anton Springer, p. 352 ff.
3) Daß diese wahrscheinlich vorhanden war, ergeht
daraus, daß, wenn sie nicht vorhanden gewesen wäre,
und Wilboldt anderweitig gewußt hätte, daß Dürer 1494
in Straßburg war, er diese Zahl wohl schon bei Nr. 31
angebracht hätte.

mir folgendes am ehesten glaubhaft. Wilboldt
bemerkte an Nr. 32 die Jahreszahl 1494 und
da er leicht f) wissen konnte, daß Dürer 1494
in Straßburg bei einem alten Meister, der zudem
auf dem Bilde noch dargestellt war, gewesen,
schrieb er das zur Erklärung in sein Inventar.
Wenn die Beischrift schon auf den Bildern viel
genauer gestanden hätte, warum hätte dann
Wilboldt diese nicht ebenso genau in sein Buch
eingetragen? Er hätte dann wenigstens sicher
nicht von einem alten Mann gesprochen, sondern
von Georg Schongauer, zumal das ganze In-
ventarium von 1573 die Tendenz hat, einen
kunstgeschichtlichen Kommentar zu den „Anti-
quitaetten" zu bilden.
Wenn aber, wie wir nunmehr gesehen haben
nur die Jahreszahl 1494 auf Nr. 32 gestanden
haben kann, dann ist auch die Beweisführung
B.'s kaum haltbar. Denn dann war es kein
Versehen Wilboldts, das von den nach folgen-
den Inventaristen in anderer Form übernommen
wurde, sondern der Aufenthalt Dürers in Straß-
burg war Wilboldt eine bekannte Tatsache,
die ihm aus den schon oben erwähnten Grün-
den geläufig sein konnte und mußte. Ich sehe
daher nicht ein, warum ich den Straßburger -)
Aufenthalt Dürers 1494 verwerfen sollte 3).
Und nun, nachdem dies gesichert ist, komme ich
auf meine frühere Vermutung, daß Dürer sich schon
Ende 1493 vielleicht in Straßburg, jedenfalls kaum
in Basel befunden habe, zurück. Gesprochen
habe ich bereits davon, in welcher Hinsicht eine
Umgestaltung der Körperformen in jener Zeit
stattfand; ich könnte noch hinzufügen, daß mit
den natürlichen Proportionen auch eine an-
mutigere und elegantere Haltung und Stellung
der Gestalten Hand in Hand ging. Man möchte
fast sagen, daß schon hier sich leise italienischer
Einfluß bemerkbar machte, der vielleicht damit
zu erklären wäre, daß irgend einer von Dürers
Ateliergenossen oder sein Lehrer selbst in Italien
geweilt hätte. Eines ist jedenfalls sicher: der

9 Wilboldts Vater und seine beiden Großväter be-
sonders waren mit Dürer äußerst befreundet; auch stammen
die meisten Dürermanuskripte aus Imhoffschem Besitze;
könnte darunter nicht auch Aufzeichnungen über diese
Zeit gewesen sein? — Man könnte z. B. an das Gedenk-
buch erinnern.

2) Das Inventar von 1580 führt ferner auf: „Ein täfel
von Ölfarben mit vil weibern. Von einem Meister von
Strassburg gemacht. Sollte das Bild nicht auch in einer
Beziehung zu Dürer stehen?

3) Ich verstehe nun nicht, wie Burckhardt, nachdem er
den Straßburger Aufenthalt Dürers zu gunsten Basels
gestrichen hat, worauf es ihm doch hauptsächlidi nach
eigener Aussage ankam, folgendes anmerken konnte: In
das Frühjahr 1494, welches bis jetzt der etwas unbequeme
Straßburger Aufenthalt ausfüllte, kann nunmehr in zwang-
losester Weise eine kurze Reise Dürers nach Venedig
verlegt werden.
 
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