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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Der Meister der Lyversberger Passion.

Als man seinerzeit den Meister der Lyvers-
berger Passion seines Ruhmes entkleidete und
ihm sämtliche Bilder nahm bis auf die Passion,
um sie dem Meister des Marienlebens zu geben,
ist man entschieden zu weit gegangen. Man
ist auch zum Teil davon abgekommen, indem
man die Linzer Altartafeln unserm Meister wi< >r
zugesdirieben hat.
Es ist ja gewiß mißlich, einem Meister Bilder
zuzuschreiben, von dem man nichts kennt als
eine Serie völlig übermalter Bilder. Die Lyvers-
berger Passion ist offenbar, wie man durch die
Übermalung erkennen kann, sehr stark beschä-
digt gewesen; bei der Restaurierung hat man
die Figuren des Bildes zum Teil in willkürlicher
Weise verändert und Gestalten und Landschaften
auf den alten Goldgrund gemalt.
Als Beispiele seien folgende Übermalungen
angeführt:
Nr. 148. Die Landschaft ist zum Teil auf
den Goldgrund übermalt.
Nr. 149. Die Inschrift A. S. K. T. ist offen-
bar ein neuer Zusatz.
Nr. 152. Durch Knie, Arme und Kreuz sieht
man den Goldgrund.
Nr. 153 und 154. Die Landschaft ist über
den Goldgrund und die Punzierung gemalt; eben-
falls Arm und Fahne Christi.
Es sei mir gestattet, hier auf vier Bilder hin-
zuweisen, die nach erfolgter weiterer Unter-
suchung nach meinem Ermessen dem Meister
der Lyversberger Passion zugeschrieben werden
müssen :
1. Das Bild 131 des Kölner Museums, Cru-
cifixus mit Maria, Johannes und Magdalena.
Der Crucifixus ist genau gleich dem der Passion,
auch die derben Gesichtszüge des Johannes und
der Magdalena sprechen zugunsten der Annahme.
Es sei hier auf eine Äußerlichkeit hingewiesen,
die nicht nur bei unserm Meister, sondern auch
bei den Roger van der Weyden und Memling
zugeschriebenen Bildern als Charakteristikum
dienen kann, nämlich das eingemauerte Kreuz.
Ich habe dieses bisher nur auf den Bildern
Rogers und seiner Schüler wie Memling, sowie
denen unsres Meisters gefunden. Sämtliche
andern deutschen (z. B. Meister des Marien-
lebens, Schongauer, Dünnwegge, Lochner, Meister
Wilhelm usw.) und niederländischen (z. B. Meister
von Flemalle, Gerard David, Jan van Eyck, Petrus
Cristus, van der Goes, Antonello da Messina usw.)

Meister umgeben den Fuß des Kreuzes mit
Holzpflöcken und Stainen.
Die beiden mir bekannten Ausnahmen: die
Kreuzigung bei Flamm in Aachen und das gleiche
Motiv im Brüsseler Museum Nr. 627, die jetzt
der Schule des Meisters des Marienlebens resp.
ihm selbst zugeschrieben werden, wären danach
als Schulbilder aus der Schule des Meisters der
Lyversberger Passion zu bezeichnen, eventuell
als Jugendwerke des Meisters des Marienlebens
aus der Zeit, wo er noch von seinem Lehrer,
dem Meister der Lyversberger Passion beein-
flußt wurde.
Danach kann man also wohl das Bild Nr. 131
auch unserm Meister zuschreiben.
2. Nr. 29 der alten Pinakothek in München:
Krönung Mariae. Wer die Bilder in der Martins-
kirche zu Linz kennt, wird nicht zweifeln, daß
diese Komposition von demselben Meister her-
rührt.
3. Nr. 30 derselben Galerie: Anbetung der
Könige. Wie die Tafeln der Passion zeigt
dieses Bild in der Mitte eine gute Gruppierung,
in der Ecke eine Anhäufung von Menschen.
Man findet hier dieselben Typen wieder, die
sich auf der Passion und vor allem den Linzer
Tafeln finden. Man darf dabei nicht vergessen,
daß die Münchener Tafel eine achtmal so große
Fläche besitzt wie die einzelnen Bilder des Linzer
Altars und daß dadurch wohl der etwas härtere
Ausdruck in den männlichen Gesichtern auf dem
großen Bilde zu erklären ist. Absolut über-
einstimmend ist aber die Gottesmutter, deren
schwere, niedergeschlagenen Augenlider, leicht-
gebogene Nase, kräftiger Mund und stark ent-
wickeltes Kinn sich viermal auf den Linzer
Tafeln wiederfinden.
Zwei Äußerlichkeiten mögen den Beweis
vervollständigen: einmal hat der Diener auf der
rechten Bildseite fast denselben Pokal in der
Hand, den der analoge Diener auf dem das
gleiche Motiv behandelnden Linzer Bild trägt.
Andererseits paßt die Bildgröße genau zu der
Lyversberger Passion, so zwar, daß vier Bilder
der Passion haarscharf unser Bild decken:
Breite Höhe
München: 132 cm 185 cm
Cöln: 66 „ 92 „
Man könnte sich also wohl denken, daß die
Passionsbilder die Flügel zu der Münchener Tafel
gebildet haben.

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