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Pazaurek, Gustav Edmund
Gläser der Empire- und Biedermeierzeit — Monographien des Kunstgewerbes, Band 13/​15: Leipzig: Verlag von Klinkhardt & Biermann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.62689#0031
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Die einzelnen Gruppen der Gläser.
Der Glasschliff.
edes Glas von Qualität mußte in der Empire- und Biedermeierzeit geschliffen
sein, gleichgültig, ob es nachher etwa Schnitt oder Malerei oder schon vorher,
wie bei den eingeglasten Pasten, noch andere Schmuckmöglichkeiten heranzog oder
ob es sich zum Unterschiede von früheren Zeiten mit schönem Schliff allein begnügte.
Ungeschliffene Gläser, und wären sie sonst noch so köstlich dekoriert gewesen, wie etwa
die Nürnberger Gläser mit Schnitt von Schwanhardt oder Schwinger oder mit Malerei
eines Schaper, hätten sich nicht behaupten können. Der venetianische Glasstil mit
seiner Dünnwandigkeit war erledigt, der Krystallstil triumphierte. Während
die „Eckigreiber“ des 18. Jahrhunderts die von ihnen geschliffenen Facettengläser in
der Regel erst dem Glasschneider zur Vollendung übergeben mußten, und die
„Kugler“ mit ihren aus „Kugeln“ oder „Oliven“ gebildeten Sternen nur bei minder-
wertigen Stücken ohne Schnitt auskamen, kann der Glasschleifer des 19. Jahrhunderts,
der meist noch den alten Namen „Kugler“ weiterführt, sein ganz bedeutend ge-
steigertes Können nun auch selbstherrlich entfalten, und seine, mit dem vertikal
laufenden Schlägelrad eingeschliffenen, mannigfaltigen Verzierungen müssen nicht
lediglich Vorstufen für weitere Ziertechniken bilden. Was in der Gruppe der
Glaskronleuchter schon längst — auch im Anschluß an Bergkrystall — üblich war,
wird nun auch bei guten Hohlgläsern gestattet: Der Schliff als alleiniges Schmuck-
prinzip.
Das farblose Glas, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts — neben ungeschlif-
fenem Beinglas und Mattierungstrübungen — weitaus vorherrschte, begünstigte den
Schliff ungemein, der aber auch nicht nachließ, als sich das Bild vollkommen änderte,
und das Farbenglas gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts eine bis dahin unbekannte
und ungeahnte Geltung gewann. Wenn umgekehrt der Farbenrausch vorangegangen
wäre, hätte der Glasschliff wohl kaum die staunenswerte Entwicklung gefunden,
die ein wirklich schönes, farbloses Krystallglas so glücklich einleiten konnte. Erst
mit der Empirezeit nämlich verdient das Krystallglas, mit welchem Namen jede Zeit
die jeweils beste Sorte des farblosen Kreideglases bezeichnete, tatsächlich diese Be-
zeichnung; erst jetzt war es den hüttentechnischen und chemischen Fortschritten ge-
lungen, ein wirklich ganz fehlerloses, von jedem Farbenstich vollkommen freies Glas
zu erzeugen, das auch in den größten Stücken zur Verfügung stand, während der
Bergkrystall, der fast stets kleine Schlieren oder „Federn“ aufweist, nur in begrenztem
Umfange erreichbar ist. Ja, der Schliff des Empire-Krystallglases hob dieses Material —
was das Lichtbrechungsvermögen anlangt — noch über den Bergkrystall heraus, als
sich das brillantierte englische Bleikrystallglas nach der Aufhebung der
Kontinentalsperre auf dem europäischen Festlande immer mehr ausbreitete und —
trotz seiner Weichheit — zur großen Mode wurde; selbst sein großes Gewicht, das
in früheren Zeiten seiner Beliebtheit hinderlich gewesen wäre, wurde nun zu einem
 
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