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Pazaurek, Gustav Edmund
Gläser der Empire- und Biedermeierzeit — Monographien des Kunstgewerbes, Band 13/​15: Leipzig: Verlag von Klinkhardt & Biermann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.62689#0262
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Lackmalerei, „Chrysodiaphan“-Arbeiten und Ähnliches.

Lackmalerei, „Chrysodiaphan“*Arbeiten
und Ähnliches.
Bei den vielen Materialsünden, die die Biedermeierzeit auf dem Gewissen hat,
kommt es auf eine mehr oder weniger kaum noch an. Und bei der stoff-
widrigen kalten Bemalung des Glases kann sich diese Zeit sogar auf recht ehrwürdige
Ahnen berufen, die zum guten Teile allerdings anders aussehen, aber streng genommen
ebensowenig gelobt werden dürften. Die mit Ölfarben hintermalten venetianischen
Prunkschüsseln der Renaissance sind eigentlich Surrogate für Maleremail auf Kupfer;
die kalten Vergoldungen und Malereien der Gläser von Hall in Tirol, vom Kelch des
Salzburger Erzbischofs M. Lang (gestorben 1540) im Österreichischen Museum zu Wien
angefangen bis zu den Humpen und Vasen, die die kalte Malerei mit Diamantriß
kombinieren, alle die Renaissancegläser aus Nürnberg, Böhmen, Schlesien oder Bran-
denburg mit Öl- und Mastixfarben bis zu den zahllosen späteren Apothekerflaschen,
die sich der Besteller schon um die unvermeidlichen Schreibfehler der lateinischen
Aufschriften auszuschalten unter seiner persönlichen Aufsicht in seiner nächsten Um-
gebung kalt dekorieren ließ, auch alles das, was die Keramik an frühem Creußener
Steinzeug, an Fayencen, ja mitunter sogar auch an Porzellan nur in Ölmalerei
schmückte, — alles das ist nur ein Ersatz für eingebrannte Emailfarben, die nicht
immer und überall zur Verfügung standen. Auch die im 18. Jahrhundert beliebten
Marmor- und Achatsurrogate in Unterglasmalerei nebst Vergoldung, die wir in zahl-
reichen Dekorationstellern, Spiegelrahmen, Tischplatten u. dgl. besitzen, gehören technisch
in dieses Kapitel, ebenso die nicht seltenen alten Reparaturen gesprungener Spiegel, die
durch kühne Improvisationen in Ölmalerei die Fehler zu verdecken suchten, was mit-
unter auch auf alten Hohlgläsern vorkommt1). Von Ölbildchen auf Glas, auch von
solchen in mehreren, kulissenartig hintereinander liegenden bemalten Glastafeln, soll
hier ebensowenig die Rede sein, wie von den ersten, ölgemalten Glasfenstern, mit
denen eine gotisierende Romantik zu Anfang des 19. Jahrhunderts vor der Wieder-
erfindung einbrennbarer Tafelglasmalerei ihre Rittersäle — z. B. in der Franzensburg
von Laxenburg — schmücken zu müssen glaubte.
Eine ganze Gruppe kalt bemalter Gläser der Biedermeierzeit geht auf diese alt-
deutsche Spielerei zurück, und zwar nicht nur nachträglich mit Ölfarben kolorierte,
alte, geschnittene Potsdamer und hessische Pokale der Löwenburg bei Kassel und im
Kasseler Hessischen Landesmuseum, sondern auch Humpen im Charakter der Spät-
gotik oder der Renaissance, von denen einzelne später nicht einmal als Fälschungen
erkannt wurden. Eines dieser Stücke mit der Darstellung des unter einem Granatapfel-
baldachin von geistlichen und weltlichen Großen umgeben sitzenden Paares, nämlich
des Kaisers Friedrich III. und seines Ratgebers, des Papstes Pius II. (Aeneas Sylvius),
in der Art des Holzschnittes2 3 * *) aus Hartmann Schedels Weltchronik (1493; f. 268 b),
steht im König Albert-Museum von Freiberg in Sachsen8). Ein anderer, späterer
*) Bei einem großen Milchglaskrug des Museums in Villingen ist z. B. der Sprung unter
dem Henkel durch alte kalte Blumenübermalung nach Möglichkeit gedeckt.
2) Dieser Holzschnitt hat auch zu anderen Fälschungen den Ausgangspunkt gebildet, so zu
einer Glasscheibe des Rumjanzew-Museums in Moskau (woselbst noch nicht als Fälschung er-
kannt) oder zu der Rundscheibe mit dem Datum 1459 in der Auktion R. Hoyos (Wien, 1897)
Nr. 431, aber auch für eine falsdre Tapisserie (Burlington Magazine XII, S. 164 und 165).
3) Schon Rob. Schmidt (Glas-Handbuch, S. 215) hat den Irrtum von E. v. Czihak (Schlesische
Gläser, 1891, S. 101), der diesen Deckelhumpen ausführlich (aber nicht ganz genau) beschreibt
und „das älteste gemalte deutsche Glas“ nennt, mit Recht korrigiert.
 
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