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Mothes, Oscar [Hrsg.]
Illustrirtes Bau-Lexikon: praktisches Hülfs- u. Nachschlagebuch im Gebiete d. Hoch- u. Flachbaues, Land- u. Wasserbaues, Mühlen- u. Bergbaues, d. Schiffs- u. Kriegsbaukunst sowie d. mit d. Bauwesen in Verbindung stehenden Gewerbe, Künste u. Wissenschaften ... (Band 2): C bis G — Leipzig, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.37489#0390
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ArüHrenaissance 380 Arüyrenaissance


II. Periode. Das gothische Baugerippe istzwarnoch bei-
behalten, aber scheinbar schon vollständig mit antiken De-
tails überzogen. An Stelle der Kaffgesimse sind antike
Gebälke getreten, an Stelle der Dienste Pilasterchen, an
Stelle der Wimbergen Muschelnischen mit Frontons; der
Sieg über die „Barbarei des Mittelalters" scheint errun-
gen ; er scheint es aber blos, denn die antiken Formen sind
nur gleichsam als durchsichtiges Gewand über den mittel-
alterlichen Bankörper gebreitet. Diese Periode tritt in den
verschiedenen Ländern zu verschiedener Zeit ein und greift
vielfach zwischen die früher erwähnte zurück. — a)JnJta-
lien zeigt sich schon an der 1457 von Martino Lombardo
und Antonio Huonäana Marco begonnenen Facade der
Kirche San Zaccaria in Venedig und an den um 1450
vonBernardo daVenezia erbauten Theilen (Kuppel, Kreuz-
gang w.) der Certosa bei Pavia (Fig. 1784) das Bestreben,

und Eckakroterie, sowie bei a Profil eines Halbkreisgiebels
an S.ZaccariainVenedig aus derZeitvon l 477—1490.
Auch Bologna birgt sehr viele Beispiele für diese Richtung,
bes. in Backstein ausgeführt; dahin gehört auch das 1456
begonnene Osxeäale Aranäs zu Mailand u. a. m. Selbst
an den ersten Bauten des Bramaute, sowie an anderen
Bauten bis um 1530, zeigt sich das mittelalterliche Bau-
gerippe noch nicht vollständig besiegt. — d) In Deutsch-
land kann man dieser Periode die Zeit von 1540—1600
zuweisen. Sämtliche Bauten dieser Zeit zeigen nämlich
immer noch manchen Anklang an das Mittelalter in
Massenvertheilung und Disposition. An den späteren
Bauten dieser Periode schweifen allerdings die Details oft
schon an das Barocke, die früheren aberzeigensogarvöllig
mittelalterliches Baugerippe, ziemlich konsequent mit anti-
ken Gliederungen bekleidet, zwischen denen wohl hier uud
da noch eine mittelalterliche Form
sich emschleicht; dabeisind freilich
die Gliederungen selbst nicht in
klassischer Reinheit angewendet,
namentlich sind alle der Schrä-
gung sich annähernden Glieder,
wie Eierstab, Blätterstab re., sehr
groß im Verhältnis zu den Plat-
ten, die Zahnschnitte manchfach
umgeändert w.; dennoch zeigen
einzelne dieser Bauten unge-

Flg. 1778. Aus der Certosa bei Pavia.

Fig. 1779. Aus Venedig.

das Gerippe selbst mit den antiken Details in Harmonie
zu setzen. Aehnliches zeigt der sogen. Florentinische Stil.
Beibehalten wurden immer noch z. B. die durch Säulchen
getheiltenZwillingsfenster, dieStellung der Säule unter
dem Bogen, die Zwerggalerien, die bedeutende Erhöhung
der Facadenmitte gegen die Seitenthcile, die Nundfenster,
die Flankirung der Halbkreisgiebel durch Fialen, die
Herumführung der Horizontalgesimse um die vorspringen-
den Pfeilerw. Dieselben Eigenschaften, jedoch bei meist viel
zierlicherer, graziöserer Durchbildung der Details, zeigen
die Werke der Venetianischen Schule. Selbst die Detail-
bildung entsprichtnochnichtden strengen Regelnder Antike.
Beispiele: Fig. 1779 Postament aus der Scuola San
Rocco in Venedig aus der Zeit von 1517—1524; Fig.
1780 und 1781 Sockel und Gebälk am Dogenpalast aus
derZeitvon 1485—1498; Fig. 1782 und 1783, Mittel-

meinc Feinheit in der Detailarbeit. Vergl. auch d. Art.
Deutschrenaissance. — o) In Frankreich überzieht zwar
schon bei einzelnen der früheren Bauten, bei den frühesten
mindestens in einzelnen Theilen, z. B. bei dem Ober-
geschoß von Fig. 1775, das antike Detail ziemlich vollstän-
dig das mittelalterliche Gerippe, allgemein aber wird
diese Erscheinung erst um 1525; die so entstandene Bau-
weise ist von den französischen Kunsthistorikern mit der
Benennung stzcko I'rautzois prsrnior belegt worden und
behielt Geltung bis um 1550. Besonders dieSchloßbauten
dieser Zeit zeigen noch gothische Silhouette, hohe Dächer,
schlank begiebelte Dachfenster mittelalterliche öoüarAust-
t.68, zu runden Kuppelthürmchen umgebildct, auch eine
überaus große Zierlichkeit und Zartheit der Details cha-
rakterisiren sie. — ä) In Spanien arbeitete der 1520
dahin zurückgekehrte Alonso Berrugucte nebst Genossen u.
 
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