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296

Sechste Vorlesung-.

Religion haben, den christlichen Katechismus lehren kann.
Das Einzige, was er thun kann, ist geduldig zu forschen,
ob denn gar keine Keime der Religion unter dem tiefen
Schutt übrig geblieben, ob sie nicht wieder zu beleben
sind, ob das Unkraut, das ringsumher emporgeschossen,
nicht ausgerottet werden kann. Nachdem dies Alles ge-
schehen, dann erst kommt die Zeit, in der, wenn der natür-
liche Boden der Religion sorgsam bestellt worden, auch
für die Samenkörner der christlichen Religion ein Wachs-
thum und Gedeihen möglich ist.

Das Prädikat Gott.

Wenn wir die Religionswissenschaft in diesem Sinne
auffassen, so zeigt sich leicht, dass die Frage, ob alle
Religion mit Monotheismus oder Polytheismus anfangen
müsse, gar nicht zum Vorschein kommen kann. Ist der
Mensch einmal so weit vorgeschritten, dass er irgend Etwas,
sei es Eins odes Vieles, Gott oder göttlich nennen kann,
so hat er ja schon mehr als die Hälfte des Weges hinter
sich; er hat das Prädicat „Gott" gefunden und sucht nur
noch nach dem wahren Subject, auf welches er dieses
Prädicat anwenden darf. Was wir wissen wollen, ist, wie
der Mensch zuerst zu diesem Prädicat gelangte, aus welchen
Elementen er den Begriff des Göttlichen sich bildete. Dann
erst kommt die andere Frage, wie er dieses Prädicat auf
Dieses oder Jenes, auf das Eine oder das Viele anwenden
konnte. In Büchern über Religionswissenschaft begegnen
wir oft dem Ausdruck,1 dass der Urmensch die grossartigen

1 „Wie stark auch die religiösen Gefühle der ursprünglichen
Arier gewesen sein mögen, wie lebhaft auch ihr Sinn für das Ueber-
natürliche, und wie gewaltig uns desshalb der Anstoss dünken muss,
 
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