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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 16.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.25836#0072

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Dem Vernchmen nach soll in Mnnchen ein großes illnstnrtes Fa-
milienjournal gegründet werden, eine Art Trutz-Gartenlaube, unter dem
gut gewähltenTitel „Der Heimg arten". Als Redakteure nennt man
den auf dem Felde des Romans in neuester Zeit so glücklichen Or. Herman
Schmid nnd den Literarhistoriker Or. Holland. Die „Gartenlaube" ist
bekanntlich dcr politischen Hysterie verfallen; ihre Garibaldischwärmerei,
ihr Geträtsch über die „nnglückliche" Kaiserin von Oestrcich, ihre Tendenz-
novellistik haben sie längst jenen literarischen Produkten beigesellt, von
denen Gervinus so treffend sagt, daß sie „den Kunstsinn nicht nährcn
und den Geschichtssinn zerstören", und daß dnrch sie „schiefe Begrifse ge-
bildet werden, die eine bessere Belehrung kaum wieder anstilgt". Fami-
lienvätern, die also ihren Töchtern „schiefe Begrifse" beibringen wollen, ist
die Gartenlaube angelegentlichst zn empfehlen. Vom „Heimgarten" aber
hosfen wir, daß ihn ein gesunder Hauch, wahre deutsche Bergesluft
dnrchweht, worin Geist und Herz sich kräftigen.

Jn Paris ist die „Stumme von Portici" mit großem Effekt neu
einstudirt in Scene gegangen. Die Tcndenz der Jnscenirung schien be-
sonders darauf hinzuarbeitcn, die Handlnng möglichst natürlich und wahr-
scheinlich darzustellen. Daß bei italienischen Revolutionen nichts Gescheidtes
heranskommen kann, dieß soll den Pariscrn nä Operngucker demonstrirt
werden. Auch der Schluß war geändcrt; während sonst Fenella von der
Bühne abeilt, in einer halben Minute den Vesuv besteigt und sich in
den Krater desselben stürzt, macht sie ihrem Leben jetzt auf der Scene
das vorgeschriebene Ende. — Bei dieser Gelegenheit möchte man fragen,
ob die hochpolitischen Gründe, welche diese Zugoper zu einer gewissen
Zeit von der hiesigen Hofbühne sernhielten, noch immer fortbestehen?
Vom Münchener Publiküm darf man wahrlicb nicht fürchten, daß es sich
von Statistenrevolutionen zur Nachahmung hinreissen läßt nnd wollte man
von den Schicksalen, welchen die Dynastien auf jenem vulkanischen Boden
immer ansgesetzt waren, nichts hören, dann dürfte man auch keine Gc-
schichte lesen.

Das schnelle Betteln. Jn einer Ortschaft bei Wien findct sich die
Aufschrift: „Schuelles Fahren, Reiten und Betteln ist in diesem Parke
verboten." Also nur hübsch langsam gebettelt, dann läßt sich nichts da-
gegen sagen- — Jn den Münchcner Wirthsgärten halten die Bettler ge-
wöhnlich ein gemäßigtes Tempo ein, nur wenn sich in der Ferne ein
Tschako zeigt, werden die nächsten Tische noch uIleArissimo heimgesucht.
Jn den Häusern pflegcn Geübtere von oben herunter zn betteln, d. h.
sie fangen im obersten Stockwerk an, weil ihnen sonst, wenn sie parterre
hinausgewiesen werden, zu viel entgeht. Für Sprachforscher bemerken
wir noch, daß iu Bayern und Oestreich das Betteln nicht so hart ist, wie
im Norden: bei uns sagt man nämlich „bcdeln".

IlAlbMriAe Lesteiluuxtzii b6i uii6ü ko8tüml6ru.

Druck der vr. Wild'schen Buchdruckerei (Parcus).
 
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