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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 16.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.25836#0304

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296

Jn dcin entlegmstm Theil einer größeren bayerischm Stadt entdeckte
ein Gendarm ein Häuschm, an welchein kein Kamin angebracht war,
sondern der Ranch durch eine Oeffnung im Dach mtlassm wnrde. Pflicht-
schnldig meldete er diesen Mißstand, nnd schrieb über seine Anzeige:
„Keinen Kamin betrefsend/' ein Rubrum, das man snglicher
Weise den meisten eristirenden Aktenstückm vorsetzen könnte.

Jn einer sächsischeu Stadt, von der Schiller sagt, daß in ihr allein
deutsch, das heißt, das beste Deutsch gesprochm wird, wurden nnlängst
zwei Damen, die sich über eine kranke Frmndin nnterhielten, belauscht;
die eine derselben sagte beim Abschiede: „Wäärn duhn werze schund, ader
su bahle nach niche." (Werden thun wird sie schon, aber so bald noch
nicht.)

Der Ehef der geheimen Augsburger Nationalregierung opponirte im
Gemeindecolleginm gegm cine Begrüßung des Köuigs Mar, nnter
dem höhnischen Dorwand, daß diese Neise nur nach Ziffer III geschehe.
Als ob es eine Neiseziffer gäbe, worin dentsche Fahncn, Gedichte, Lieder
u. s. w. vorgeschrieben wären. Das Merkwürdige dabei ist, daß die Ko-
sten wirklich nur mit einer Stimme Majorität bewilligt wurden. Die
Herren dieser ansehnlichen Minorität erschcincn der Gemeinde gegm-
über allerdings bevollmächtigt, Hcrrn Volkhart gegmüber jedoch ohn-
mächtig. Die Perfidie, womit sein „ Blättle " Jahr ans Jahr ein
den confessionellen Haß ausstachelt, macht einen betriibenden, die krähwink-
lerische Verbissmheit gegm München und Alles, was nach Hrn. Volkhart
nichts zu fragm hat, allerdings einen erheilernden Eindruck, abcr in bei-
den Fällm muß Man fragen, wie eine Stadt von dem Range Augsburgs
sich durch einen solchm Giftnickel tyrannisiren lassm kann. Man hat
zwar in neuester Zeit in Bayern viel und Mancherlei erlebt, daß aber ein
G emeindecollegium die Kosten für ein paar Fahnen und Kranze so viel
wie verweigert, dieß ist jedenfalls neu und ein „Fortschritt". Doch
Herr Volkhart will vielleicht als Nationalökonom gclten. Vor 3 Tagm
bringt er in dem Briefkasten seines Anzeigeblattes, wo sich tendentiöser
Stadtklatsch ablagert, die angebliche Frage: „Wie hoch belänft sich die
Civilliste des Königs?" Natürlich ist die Redaktion augenblicklich so
gefällig zu antworten: 2,700,000 fl. Daß mit einem solchm Bauchredner-
knnststückchen in einem, ausgesprochener Maßen für Fabrikarbeiter be-
stimmtm Blatt natürlich nur das nationalökonomischc Jnteresse geweckt
werden will, liegt am Tage. — Um übrigens mit einem heitern Eindruck
zu schließm, so erwähnm wir eine Anekdote, die uns kürzlich erzählt
wnrde. Ein jetziger GemeindebevollmächtigterÄugsburgs war in den dreißiger
Jahren eine Zeit laug inhaftirt. Als nun im Jahre 1848 nach der Am-
nestie einigm Opfern jener Reaktionsperiode von der Negierung En t sch ä-
d igungssummen ausbezahlt wurdeu, wandte sich dcr Märtyrer an
einen Rechtskundigen mit der Frage, ob er nicht anch nm Entschädigung
einkommen solle? Der Jurist soll geantwortct habm: „bei den Andern
war's Unrecht, daß man sie einsperrte, bei Jhnen — daß man Sie aus-
ließ!" 8e non e voro, 6 den trovuto — aber wer weiß, ob's nicht
wahr ist.

Druck der vr, Wild'schen Buchdruckerci (ParcuS).
 
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