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Deutscher Museumsbund [Contr.]
Museumskunde: Fachzeitschrift für die Museumswelt — 1.1905

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Lichtwark, Alfred: Das Nächstliegende
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https://doi.org/10.11588/diglit.69241#0049

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Lichtwark, Das Nächstliegende

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Polytechnikum und — zersplittert und schwer zugänglich im Privatbesitz. Es
gibt jedoch nirgend eine Anstalt, die es sich zur Aufgabe gemacht hätte, in einer
durch eine Abbildungssammlung ergänzten Galerie eine Vorstellung von dem
Verlauf der Ortsgeschichte zu gewähren. Es gibt auch keine Privatsammlung,
soviel mir bekannt, die sich eine ähnliche Aufgabe gestellt hätte. Von einzelnen
Meistern wie Menzel wird es gelingen, aus den getrennten Beständen ein Gesamt-
bild zu gewinnen. Bei Blechen ist die Nationalgalerie durch die Brosesche
Sammlung in den Besitz fast des gesamten Lebenswerks gelangt. Aber dann hört
es eigentlich schon auf. Wer kann heute schon die Arbeit eines so ungemein
wichtigen Meisters wie Krüger überblicken? Und da die Nationalgalerie erst in
den letzten Jahren mit Umsicht das Gebiet der örtlichen Kunst, das jenseit und
um Menzel liegt, betreten hat, gibt es noch keine Privatsammler, die, von ihr
angeregt, sich auf das Forschen und Spüren verlegt haben.
Daß aber in Berlin sehr viel bedeutendes geschehen ist, von dem wir nichts
wissen, beweisen einzelne Werke gänzlich vergessener Meister, die gelegentlich
auftauchen, Erstaunen und viele Fragen wecken.
In Dresden wird der Kunstfreund dieselbe Enttäuschung erleben. Wer die
moderne Abteilung der Galerie besucht, wird über die Hauptmeister der Dresdner
Kunst des neunzehnten Jahrhunderts einigen Aufschluß erhalten, aber was eigent-
lich vor sich gegangen, wird er nicht erfahren, obwohl die Direktion bereits in
den neunziger Jahren aus den Magazinen und Verwaltungsräumen wertvolle Do-
kumente zur Geschichte der Dresdner Malerei in das Licht der Galerie gebracht
hat. Privatsammlungen, die die Lücke ergänzen könnten, scheint es nicht zu geben,
die städtische Sammlung hat sich erst noch zu entwickeln.
In München steht es nicht eigentlich anders. Ich habe mich überall um-
gehört, aber von einer Privatsammlung, in der mit vertretenden Werken die be-
deutendsten Münchener Meister des neunzehnten Jahrhunderts vereinigt wären,
habe ich nichts erfahren. Die Pinakothek besitzt aus der Zeit ihrer ersten Ent-
wicklung sehr wichtige Einzelwerke. Aber auf die Fragen, mit denen der Forscher
und der Kunstfreund an diesem Ort, wo die meisten Fäden während des ganzen
Jahrhunderts zusammenlaufen, die Galerien und die Handzeichnungssammlungen
betritt, können sie nur sehr selten eine Antwort geben.
Von Stuttgart, Karlsruhe, Düsseldorf gilt dasselbe. Etwas besser steht es in
Frankfurt, wo seit einigen Jahren die Galerie große Anstrengungen gemacht hat,
zu einem abgerundeten Bilde der örtlichen Kunst zu gelangen, und wo die alte
Anhänglichkeit zahllose an Werken von Frankfurter Meistern reiche Privatsamm-
lungen geschaffen hat, und in Köln, wo durch große Glücksumstände wenigstens
für die ersten drei Jahrhunderte moderner Malerei das Museum reich dasteht.
Diese Beispiele mögen genügen, den herrschenden Zustand klar zu legen.
Um die Ursachen brauchen wir uns nicht zu kümmern, sie sind leicht zu erkennen

Museumskunde. I, 1.

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