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Deutscher Museumsbund [Contr.]
Museumskunde: Fachzeitschrift für die Museumswelt — 1.1905

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Seidlitz, Woldemar von: Ein deutsches Museum für asiatische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.69241#0192

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v. Seidlitz, Ein deutsches Museum für asiatische Kunst

und Nachdruck fördert. Welche Schätze Prof. Oeder in Düsseldorf zu vereinigen
gewußt hat, ist seit der Düsseldorfer Ausstellung allgemein bekannt geworden.
Die wunderbare Sammlung altkoreanischer Gefäße sowie altchinesischer Bronzen
aber, welche Frau Dr. Meyer und ihrem Adoptivsohn Prof. Grosse in Freiburg i. B.
gehört, ist bisher nur wenigen zugänglich gewesen. Seit kurzem beherbergt auch
Berlin, wo schon früher Max Liebermann sich als glücklicher Sammler betätigt
hatte, die gewählte Sammlung chinesischer Porzellane des Kolonialdirektors
Dr. Stübel, und die herrlichen Stücke, die Dr. Sarre von seinen Reisen nach
Persien heimgebracht hat.
Auf diesem Grunde ließe sich schon weiterbauen, wenn nur nicht, wie für
Deutschland leider bezeichnend, das geistige Band fehlte. Die anderen Länder
Europas besitzen, dank der Zentralisation ihrer Verwaltung, in den Museen der
Hauptstadt sowie in einzelnen Gesellschaften mit künstlerischem Zweck Mittel-
punkte für die geistigen Interessen, welche bei uns infolge des Charakters als
Bundesstaat nur in eingeschränktem Sinne vorhanden sind. Besitzt eine solche
Vielgliedrigkeit auch ihre besonderen Vorzüge, so muß ihr doch entgegengewirkt
werden, soweit sie zu einer Zersplitterung der Kräfte führt und Deutschland hindert,
seine Aufgaben zu erfüllen und seine Stellung im Weltganzen zu behaupten.
Schwerer noch als diese äußeren Hindernisse wiegt der Umstand, daß bei
uns die große Masse der Gebildeten weniger als in anderen Ländern dafür vor-
bereitet ist, solche neue Aufgaben, wie die Pflege der asiatischen Kunst, mit
jenem Nachdruck und jener Hingabe in die Hand zu nehmen, welche für eine
erfolgreiche Durchführung der Sache nötig sind. Trotz des gerühmten deutschen
Individualismus, d. h. des Mangels an Disziplin, ist unsere Denkweise im allgemeinen
viel konventioneller als die der anderen Kulturvölker. Bedienen jene sich infolge
eines altüberlieferten gesellschaftlichen Zwanges möglichst unpersönlicher Ausdrucks-
formen, so haben sie sich doch die Freiheit bewahrt, ihre Gedanken sich selbst
zu bilden auf dem Wege persönlicher Lebenserfahrung; wir aber pflegen an den
überkommenen Anschauungen so lange festzuhalten, bis erst einer, unter dem
Beifall der Menge, sie über den Haufen wirft und durch andere ersetzt. So ging
es mit Luther, Winckelmann, Kant, Darwin und Wagner. Neue Gesichtspunkte
können daher bei uns gewöhnlich nur in gewaltsamer Weise zur Herrschaft gelangen.
Trotz alles Strebens nach Vervollkommnung der Technik, nach Entwicklung
unserer Industrie, nach einer Ausdehnung unserer Weltmachtstellung sind wir als
Volk in ästhetischer Beziehung über das eng begrenzte Winckelmannsche Ideal
nicht hinausgekommen, und das Streben unseres Kaisers, die allgemeine Bildung
— die nicht mit der Vorbildung für die einzelnen wissenschaftlichen Berufe zu
verwechseln ist — auf eine breitere, den Erfordernissen des Lebens besser ent-
sprechende Grundlage zu stellen, hat noch wenig Erfolg gehabt. Unter solchen
Umständen entbehren die wenigen, welche von der Bedeutung der asiatischen
 
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