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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 60.1943/​1948

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Henche, Albert: Die Dienstentlassung Ibells
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https://doi.org/10.11588/diglit.62668#0098
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90 ; Ze ; „Albert Henche

Die Dienstentlassung Ihells

- Von Albert Henche.

Die Frage der Dienstentlassung des verdienten Regierungspräsidenten Ibell
ist für einen der wichtigsten Zeitabschnitte der nassauischen politischen und
Verwaltungsgeschichte das Kernproblem gewesen. Um ihre Klärung haben
sich daher verschiedene Geschichtsschreiber, vor allem Sauer! und Spielmann 2,
bemüht. Eine endgültige Lösung wurde nicht gefunden, so daß seither die
Antwort auf diese Frage offen blieb. Daher rechtfertigt es sich, wenn sich uns
die Möglichkeit bietet, durch neue Gesichtspunkte auf Grund bisher nicht
ausgewerteter Akten? zu dem Tatbestand Stellung zu nehmen.

Die ersten Anzeichen einer Dienstmüdigkeit des zwar tatkräftigen, aber
dach fein empfindenden, zartfühlenden Mannes, der schwer an seiner hohen
dienstlichen Verantwortung trug, zeigten sich bereits während seiner Orga-
nisationstätigkeit im Jahre 1814.* Mit dem vollen Idealismus, den das Be-
wußtsein, eine gute Sache ehrlich zu vertreten, verleiht und bestärkt, hatte
Ibell, besonders nach Steins freundlicher Beurteilung * der nassauischen „Ver-
fassung, sich die Fortsetzung seines Organisationswerkes in ‚schneller ‚Folge
der Reformen5 gedacht. Aus drei Ursachen heraus aber sollte dem nicht
:so sein: Erstens fand die starke Anstrengungen erfordernde und manche
überalterten Staatsdiener ® mißstimmende Arbeitsfülle den passiven Wider-
stand oder die unwillige, öfters neidische Kritik eines Teiles der nassauischen
Beamtenschaft. 7? Zweitens verärgerte den Präsidenten die in der Tat heim-
tückische Gegenarbeit .der feudalen Adelsclique®, von Graf Ingelheim und
Freiherrn von Ritter geführt. Drittens erforderte die Bekämpfung der von
den mediatisierten Herren? betriebenen Hetze gegen die Regierung eine so
starke Abwehraktion Ibells, daß er, wenn ihrer nicht überdrüssig, so doch
äußerst tiefgehend von ihr beeindruckt wurde. An anderer Stelle werde ich
diese drei Gesichtspunkte durch seither nicht bekannte Belege näher beleuchten.
Am meisten aber hat den Staatsmann der Kampf gegen die „Teutschen Ge-
sellschaften‘“ 19 im Nassauischen !!t, in deren von Arndt!®? geführtem Tun er
die gefährlichste Bedrohung seiner zu glücklichem Abschluß gedeihenden
Staatsleistung zu erkennen glaubte, in Anspruch genommen und derartig auch
gesundheitlich angegriffen, daß er Marschall gsgenüber sich mehr als einmal !?
sehr pessimistisch und ‚sehr traurig“ über diesen Gegenstand geäußert und
eine Art Menschenverachtung !*! gezeigt hat. Gewöhnt, alle Beschwerden des
Lebens in inneten. harten Seelenkämpfen zu überwinden, dazu mit Arbeits-
last, die seine Kräfte zu verzehren begann, während Marschalls Abwesenheit
auf dem Wiener Kongreß! überhäuft, ist der seelische Zustand Ibells im
Anfang des Jahres 1815 so niedergeschlagen, daß er, trotz einer gerade damals
erfolgten Reorganisation des völlig unfähigen‘ Beamtenkörpers *° immer weiter
mit den letzten Verantwortungen belastet und während einer längeren Krank-
heit Marschalls 1? auch ohne dessen Weisungen ganz auf sich selbst gestellt,
an den Minister die Befürchtung ausspricht. nicht stark genug zu Sein, die _
übermäßige Dienstlast weiterhin tragen zu können. Kleine persönliche Ver-
stimmungen mit v. Kruse!®, ärgerliche Auseinandersetzungen mit Arnoldi ®?,
Scherereien mit den preußischen Truppenkommandeuren *°, vor allem aber
schwere Sorgen wegen der dauernd gefährdeten Staatsfinanzen * trugen
wohl ihr kleines Teil zu den oben erwähnten größeren Schwierigkeiten bei,
 
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