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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 39.1879

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Karl Gleyre
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II. Aufenthalt in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.43130#0011
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Zeichnung. Dieses Bild hat die Kaiserin von Russland angekauft. — Auf gleicher Stufe mit dem soeben
erwähnten Aquarellbilde steht Tod der Francesca da Iliniini. Sie liegt ermordet quer im
Vordergründe, Arm und Schulter entblösst, hinter ihr kauert ihr Mörder Malatesta und betrachtet unter
Gewissensbissen und mit Schauder sein Opfer. Rechts im Vordergründe erblickt man einen Theil des
Körpers ihres Geliebten Paolo in verkürzter Lage. Auf dem Boden liegt das blutige Schwerdt auf einem
offenen Buche, in welchem die Liebenden soeben noch gelesen. Dieses sehr fleissig und wahrheitsgetreu
ausgeführte Bild beurkundet ein genaues geschichtliches und lokales Studium. Zimmer, Tapeten, Meubeln,
Costiime, Waffen, die Architektur des Balkons, die Landschaft in der Ferne, alles ist mit äusserster
Sorgfalt behandelt und erreicht durch seinen Glanz, Reichthum und Relief die Kraft eines Oelbildes.
Gleyre durfte auf dieses Werk stolz sein, denn es begründete seinen Ruf in Rom. Er glaubte jetzt auf
dem Boden des Genre’s fortarbeiten zu sollen und verlegte sich hauptsächlich auf Costiime. Die mensch-
liche Figur kam damals nicht zum Durchbruche bei ihm; er suchte mehr das Malerische, als das Schöne.
Man sieht seinen damaligen Arbeiten den Einfluss der Zeit und Umgebung an, in denen er gerade lebte.
Seine Briganden erinnern auf den ersten Blick an Leopold Robert und Ilorace Vernet; Rafael’s Abschied,
Der erste Kuss Michael Angelo’s, Francesca da Rimini und einige andere Kompositionen aus jener Zeit
haben ihren Ursprung nicht in Gleyre’s Geist, sondern stammen aus der romantischen Schule von 1830
her. Sein gesunder Sinn, feiner Geschmack und seine ernsten klassischen Studien haben ihn vor gefähr-
lichem Fallen bewahrt.
Leopold Robert schätzte das Talent Gleyre’s hoch und war der Meinung, er berechtige von allen
jungen Künstlern der Gegenwart zu den schönsten Hoffnungen. Er ermunterte ihn zur Arbeit und hörte
nicht auf, ihn über seine Trägheit auszuschelten. Allein der junge, unabhängige Künstler hörte nicht
gerne Vorwürfe an und sobald er Robert gewahr wurde, waren ihm alle Mittel recht, um seinen Predigten
aus dem Wege zu gehen, sie mochten noch so wohlwollend gemeint sein. — Auch bei Ilorace Vernet
war Gleyre gut aufgenommen. Dieser hatte von seinem Talente und seinem Geiste sprechen hören und
wünschte ihn kennen zu lernen, obgleich ihm sein beissender Charakter auch schon zu Ohren gekommen
war, in Folge dessen der Direktor der Akademie bis dahin sich nicht bewogen fühlte, sich Gleyre zu
nähern. Bald aber stellte sich zwischen ihnen ein freundschaftliches Verhältniss ein, das sich beiderseits
auf hohe Achtung gründete. Gleyre besuchte nun oft die Villa Medici, indem neben der Malkunst und
dem Schwünge des väterlichen Freundes auch die Liebenswürdigkeit von Fräulein Vernet eine besondere
Anziehungskraft auf ihn ausübte. Gleyre zollte dieser ausgezeichneten Dame volle Bewunderung und
wurde ganz bezaubert von ihr und so eingenommen, wie man es kaum hätte glauben sollen von einem
Menschen, der über die Ehe so dachte, wie wir oben vernommen haben. Seine mehr als bescheidene Lage
erlaubte ihm übrigens nicht, ernstlich an die Tochter des berühmten Künstlers zu denken. Er verschwieg
daher diese Liebe sorgfältig vor Jedermann. Seine Freunde hatten aber doch etwas davon gemerkt und
gaudirten sich weidlich darüber. Er zog sich aus dieser Schlinge mit seiner gewohnten Klugheit, indem
er noch lauter lachte als sie und in einer Karrikatur seine Werbung bei dem gestrengen Herrn Vater
darstellte. Gleyre genas von dieser aussichtlosen Iäebe nur langsam. Er fand Fräulein Vernet später
in Paris wieder als Madame Delaroche und ward ein fleissiger Besucher ihres Salons, der einst viel
Aufsehen machte. Der frühzeitige Tod dieser liebenswürdigen Frau ging ihm sehr nahe.
In der Villa Medici kam Gleyre in Verbindung mit Ursel. Perret, Schnetz, Berlioz; mit dem jungen
Louis Napoleon übte er sich im Atelier im Fechten; Chenavard und Nanteuil standen ihm ganz nahe,
sein Intimus war Cornu. Letzterer war an Madame Lacroix, die Gouvernante der Exkönigin Hortense
von Holland, empfohlen. Die beiden Freunde fänden die beste Aufnahme in ihrem Hause und verbrachten
einen grossen Theil ihrer Zeit daselbst im Umgänge mit hervorragenden Männern der Wissenschaft,
 
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